
Vor etwa 35 Jahren hatte ich eine liebe Freundin aus Seelow. Wie es in Beziehungen manchmal vorkommt, sollte ich eines Tages den Eltern vorgestellt werden. Um es kurz zu fassen: Die Mutter war sehr nett, der Vater ein regelrechter Idiot. Mein Auftritt in Seelow war vor allem beim weiblichen Teil der Familie sehr erfolgreich, denn auch K.s Großmutter war mir auf Anhieb sympathisch, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Die Oma sah ihren Sohn durchaus kritisch und erzählte mir folgende Geschichte:
In den letzten Kriegstagen Mitte April 1945 standen die sowjetischen Truppen an den Seelower Höhen. Die deutsche Heeresgruppe Weichsel mit etwa 100 000 Mann sollte die etwa 1 Millionen sowjetischen Soldaten der 1. Belorussischen Front unter dem Befehl von Marschall Schukow
aufhalten. Die Schlacht um die Seelower Höhen dauerte vom 16. bis 19. April 1945 . Es starben 70 000 sowjetische und 12 000 deutsche Soldaten. Die Seelower Höhen waren die letzte Hauptverteidigungsstellung der Nazis außerhalb Berlins. Nach dem 19. April lag der Weg nach Berlin offen. Am 25. April war die Stadt komplett eingeschlossen und die Schlacht um Berlin erreichte ihren Höhepunkt. Eine Woche später war Hitler tot, zwei Wochen später war der Krieg in Europa beendet.
K.s Vater war damals 16 Jahre alt und ein strammer Hitlerjugend-Führer. Kurz vor Beginn der Schlacht tauchte er mit einem Karabiner zu Hause auf und verkündete, er wolle für Führer, Volk und Vaterland gegen die Russen ziehen. Die Mutter nahm ihm zuerst den Karabiner weg, prügelte ihn dann ordentlich durch und sperrte ihn in den massiven Kaninchenstall ein. Den Karabiner zertrümmerte sie auf einem großen Feldstein.
Patrick B. aus Danewitz hatte sich für 8 Jahre zur Bundeswehr verpflichtet. Er wird am 8. November beerdigt. Sein Vater will jetzt Aufklärungsarbeit leisten, aber nicht etwa fordern, dass die z.Zt. 3500 Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan zurückkommen. Nein, ihm geht es um die bessere Ausrüstung der Truppe. Vielleicht wird er ja eines Tages schlauer und die richtigen Schlußfolgerungen aus dem sinnlosen Tod seines Sohnes ziehen, wer weiß? Patricks Mutter jedenfalls wollte nicht, dass ihr Sohn nach Afghanistan geht. Aber Kaninchenställe sind leider selten geworden in Brandenburg...
Bild: Linda Dahrmann (www.pixelio.de)
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