»Wenn die Welt untergeht, dann gehe ich nach Mecklenburg, denn dort geht sie 50 Jahre später unter.« soll Reichskanzler Otto von Bismark einmal geäußert haben. Nun war Otto für die damalige Zeit zwar ein rechter Reaktionär, heute allerdings wäre er mit seiner Sozialversicherung fortschrittlicher als die damals von ihm mittels Sozialistengesetz verfolgten Sozen. Auch sein Verhältnis zu Russland war ein besseres als das der heute sich Regierung nennenden Handlanger der Übersee-Ganoven.
Sein angeblicher, oben zitierter Satz wurde jedenfalls zum Klischee nicht nur in mecklenburgischen Köpfen. Zuspätkommen, Rückschrittlichkeit soll mecklenburgisches Selbstverständnis sein. Die kurze Etappe der DDR - was sind schon 40 Jahre - mit hochtechnisierten Landwirtschaftsbetrieben und einer echten Industrialisierung mit Möbel- und Landmaschinenwerken, Schiffbauwerften und Betrieben der Lebensmittelindustrie war geschichtlich gesehen zu kurz.
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Alte Tür im Güstrower Schloß (© fv 1978) |
Die 1990 an die Macht Gekommenen nahmen vielerorts den Bismarckschen Urteilsspruch demütig an und sehnten sich förmlich nach der Zeit von vor 1938, als die Zeiten angeblich gut und alt, oben und unten noch klar definiert und Störenfriede dort waren, wo sie hingehörten. Im Armenhaus oder gleich im KZ nämlich. Industrie und selbstbewußte Arbeiter konnten den gesellschaftlichen Rückschritt nur stören. Und waren die Städte nicht sowieso schon viel zu groß?
Die von der sogenannten Treuhandanstalt losgetretene Welle der Deindustrialisierung sollte gerade die mecklenburgischen Werften, die Fischfangflotte, die Zuckerfabriken, die Lebensmittelbetriebe, die Landmaschinenkombinate und das Möbelkombinat als erste und unwiderruflich treffen. Mit den entsprechenden sozialen Auswirkungen, der Abwanderung, dem Verfall. Die Zentren der kleinen Städte - nach der so genannten Wende mit Fördermitteln notdürftig, wenn auch nicht nachhaltig aufgehübscht - sehen heute vielfach schon wieder schlimmer aus als zu DDR-Zeiten.
Fünfundzwanzig Jahre später sind wir also wieder bei dem gebürtigen Altmärker Bismark, wenn der den obigen Spruch auch gar nicht abgesondert haben soll.
Eines der ärmsten Bundesländer mit der wenigsten Wertschöpfung lebt heute im wesentlichen von seiner Natur, seiner Küste und von dem eigenwilligen, natürlichen Charme seiner Bewohner.
Touristikförderung und vor allem Werbung noch und nöcher auf allen nur möglichen Kanälen wäre da angebracht. Vielleicht sogar kostenlos zu bekommen - wie bei den sogenannten "neuen Medien"? Die rot-schwarze Landesregierung hat allerdings schon im Oktober mitgeteilt, dass sie auf Auftritte in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verzichtet. Sie sieht in diesen Plattformen keinen größeren Nutzen, der den Einsatz des dafür erforderlichen Personals rechtfertigen würde.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Reinhard Dankert (von mir geschätztes Alter auf der Grundlage seiner Äußerungen: 87 Jahre) begrüßte diesen Verzicht der Landesregierung ausdrücklich: „Nicht nur die Landesregierung, sondern alle öffentlichen Stellen sollten sich ihrer Vorbildwirkung bewusst sein und nicht dazu verleiten, datenschutzrechtlich fragwürdige Angebote zu nutzen.“ Bereits vor drei Jahren hatte Dankert alle öffentlichen Stellen des Landes aufgefordert, auf die Nutzung sozialer Netzwerke zu verzichten, weil diese Plattformen nicht mit deutschen und europäischen Datenschutzstandards in Einklang stehen. "Was ich nicht verstehe, wird verboten ! " könnte das Lebensmotto dieses Beamten sein.
Ein echter Mecklenburger, der Dichter und Sprachlehrer John Brinckmann (1814-1870) hatte im Vormärz der 1848er Revolution - allerdings unter Pseudonym - Lieder und Gedichte geschrieben, in denen er das verschlafene Mecklenburg verspottete:
"Du schliefst, Land Mecklenburg, in sel'ger Ruh,
bisher den süßen Schlummer der Gerechten.
Und stoisch ernst, laut hörbar schnarchtest du
gleich deinen besten, derbsten Ackerknechten.
Und wenn der Zeitsturm gell vorüberfuhr,
da schnarchtest du ein wenig lauter nur."
Es ändert sich wirklich wenig in Deutschland. Solange wir immer und immer den Amtsschimmel gewähren lassen.
Was ist die Moral von der Geschicht'? Nun, es gibt mehrere: Dickfällige Beamte besonders in Meck-Pomm haben noch immer nicht gelernt, dass die genannten sozialen Medien niemanden zum Herausgeben seiner intimsten Geheimnisse zwingen. Facebook und Twitter, das Internet allgemein, sind nichts anderes als Anschlagsäulen, die Buschtrommeln, das Signalfeuer, die Läufer des Sultans, der Telegraph, Briefpost, Faxgerät und Telefon zu ihren Hochzeiten. Alle diese Nachrichtenmittel wurden und werden abgehört, mitgelesen, abgeschnorchelt. Vorsicht war und ist daher immer angesagt. Auch die Schweriner Landesregierung von Edwin Sellerie (oder so) muss ihre
vertraulichen Verschlußsachen nicht bei Gesichtsbuch online stellen. Was anderes wären Reklame für Touristikangebote oder Möglichkeiten zur Wirtschaftsförderung oder ähnliches im chronisch unterentwickelten Bundesland Meck-Pomm. Und wenn man nur einen Newsletter der Landesregierung herausgeben würde!?
Dass man wie immer ganz ordinär Geld und Personal sparen will und sich dafür alberner, verquaster Ausreden bedient, ist die zweite Erkenntnis. Und die dritte? Hätte der Herr Litfass heute oder morgen seine gleichnamige Säule erfunden - die Datenschützer (und ihre kurzsichtigen Auftraggeber in den Amtsstuben) würden sie umgehend verbieten...