Sein angeblicher, oben zitierter Satz wurde jedenfalls zum Klischee nicht nur in mecklenburgischen Köpfen. Zuspätkommen, Rückschrittlichkeit soll mecklenburgisches Selbstverständnis sein. Die kurze Etappe der DDR - was sind schon 40 Jahre - mit hochtechnisierten Landwirtschaftsbetrieben und einer echten Industrialisierung mit Möbel- und Landmaschinenwerken, Schiffbauwerften und Betrieben der Lebensmittelindustrie war geschichtlich gesehen zu kurz.
Alte Tür im Güstrower Schloß (© fv 1978) |
Die von der sogenannten Treuhandanstalt losgetretene Welle der Deindustrialisierung sollte gerade die mecklenburgischen Werften, die Fischfangflotte, die Zuckerfabriken, die Lebensmittelbetriebe, die Landmaschinenkombinate und das Möbelkombinat als erste und unwiderruflich treffen. Mit den entsprechenden sozialen Auswirkungen, der Abwanderung, dem Verfall. Die Zentren der kleinen Städte - nach der so genannten Wende mit Fördermitteln notdürftig, wenn auch nicht nachhaltig aufgehübscht - sehen heute vielfach schon wieder schlimmer aus als zu DDR-Zeiten.
Fünfundzwanzig Jahre später sind wir also wieder bei dem gebürtigen Altmärker Bismark, wenn der den obigen Spruch auch gar nicht abgesondert haben soll.
Eines der ärmsten Bundesländer mit der wenigsten Wertschöpfung lebt heute im wesentlichen von seiner Natur, seiner Küste und von dem eigenwilligen, natürlichen Charme seiner Bewohner.
Touristikförderung und vor allem Werbung noch und nöcher auf allen nur möglichen Kanälen wäre da angebracht. Vielleicht sogar kostenlos zu bekommen - wie bei den sogenannten "neuen Medien"? Die rot-schwarze Landesregierung hat allerdings schon im Oktober mitgeteilt, dass sie auf Auftritte in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verzichtet. Sie sieht in diesen Plattformen keinen größeren Nutzen, der den Einsatz des dafür erforderlichen Personals rechtfertigen würde.
Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Reinhard Dankert (von mir geschätztes Alter auf der Grundlage seiner Äußerungen: 87 Jahre) begrüßte diesen Verzicht der Landesregierung ausdrücklich: „Nicht nur die Landesregierung, sondern alle öffentlichen Stellen sollten sich ihrer Vorbildwirkung bewusst sein und nicht dazu verleiten, datenschutzrechtlich fragwürdige Angebote zu nutzen.“ Bereits vor drei Jahren hatte Dankert alle öffentlichen Stellen des Landes aufgefordert, auf die Nutzung sozialer Netzwerke zu verzichten, weil diese Plattformen nicht mit deutschen und europäischen Datenschutzstandards in Einklang stehen. "Was ich nicht verstehe, wird verboten ! " könnte das Lebensmotto dieses Beamten sein.
Ein echter Mecklenburger, der Dichter und Sprachlehrer John Brinckmann (1814-1870) hatte im Vormärz der 1848er Revolution - allerdings unter Pseudonym - Lieder und Gedichte geschrieben, in denen er das verschlafene Mecklenburg verspottete:
"Du schliefst, Land Mecklenburg, in sel'ger Ruh,
bisher den süßen Schlummer der Gerechten.
Und stoisch ernst, laut hörbar schnarchtest du
gleich deinen besten, derbsten Ackerknechten.
Und wenn der Zeitsturm gell vorüberfuhr,
da schnarchtest du ein wenig lauter nur."
Es ändert sich wirklich wenig in Deutschland. Solange wir immer und immer den Amtsschimmel gewähren lassen.
Was ist die Moral von der Geschicht'? Nun, es gibt mehrere: Dickfällige Beamte besonders in Meck-Pomm haben noch immer nicht gelernt, dass die genannten sozialen Medien niemanden zum Herausgeben seiner intimsten Geheimnisse zwingen. Facebook und Twitter, das Internet allgemein, sind nichts anderes als Anschlagsäulen, die Buschtrommeln, das Signalfeuer, die Läufer des Sultans, der Telegraph, Briefpost, Faxgerät und Telefon zu ihren Hochzeiten. Alle diese Nachrichtenmittel wurden und werden abgehört, mitgelesen, abgeschnorchelt. Vorsicht war und ist daher immer angesagt. Auch die Schweriner Landesregierung von Edwin Sellerie (oder so) muss ihre vertraulichen Verschlußsachen nicht bei Gesichtsbuch online stellen. Was anderes wären Reklame für Touristikangebote oder Möglichkeiten zur Wirtschaftsförderung oder ähnliches im chronisch unterentwickelten Bundesland Meck-Pomm. Und wenn man nur einen Newsletter der Landesregierung herausgeben würde!?
Dass man wie immer ganz ordinär Geld und Personal sparen will und sich dafür alberner, verquaster Ausreden bedient, ist die zweite Erkenntnis. Und die dritte? Hätte der Herr Litfass heute oder morgen seine gleichnamige Säule erfunden - die Datenschützer (und ihre kurzsichtigen Auftraggeber in den Amtsstuben) würden sie umgehend verbieten...
Ich denke nicht, dass Facebook und Twitter der Touristikindustrie helfen könnten. Der Kuchen ist schon lange aufgeteilt. Die Ostländer kommen zu spät. Die Vorurteile der westlichen Bevölkerung gegen die östliche ist groß. Man mag uns nicht. Das wird aber nur im kleinen Kreis preisgegeben. Dann ist da noch die Frage der Einkommen und Preise. Da die Preise für das tägliche Leben und das drumherum (Abgaben an Stadt für alles Mögliche) gestiegen sind, die Einkommen nicht mithalten konnten, sollte man sich fragen, wer um Gotteswillen sollte denn nach Ostdeutschland kommen. Die Reichen sicherlich nicht. Die sind woanders zu finden. Und was sollte die Facebook-Twitter-Generation schon in Meck-Pomm? Und wird denn irgendjemand wirklich lesen, was man in Facebook oder Twitter absondert? Die Klickstatistik sagt ja nichts über das Leseverhalten aus. Die Wirtschaftsförderung ist auch an Konsumtion geknüpft. Warum in aller Welt, sollten Betriebe nach Meck-Pomm kommen. Woanders sind die Arbeitskräfte viel billiger. Gute Arbeitskräfte werden sowieso nicht mehr gebraucht, schließlich sollen die Dinge vor allem eins - kaputt gehen, damit man das nächste Ding kauft. Die Kaufkraft in Deutschland ist aber nicht berauschend. Investiert wird nur in Dinge, die auch verkäuflich sind. Und wo in Deutschland wird heutzutage noch wirklich breitflächig investiert? Also, ich könnte da ganze Aufsätze darüber schreiben, warum es wahrscheinlich wirklich durchdacht ist, dass Facebook und Twitter nicht genutzt werden. Aber das würde zu weit führen und die Kommentarfunktion sprengen. Der Zug ist schon längst abgefahren und wird über kurz oder lang an die Wand klatschen.
AntwortenLöschenAlles richtig. Und trotzdem muss man - wenn man ins tiefe, kalte Wasser fällt - jeden Strohhalm nutzen, um irgendwie zu überleben.
LöschenÜbrigens heuchelt man auch von Seiten der Datenschützer wieder einmal ganz ordentlich, wie folgende DPA-Meldung von heute beweist:
AntwortenLöschenBehörden fordern mehr Nutzerdaten
Berlin (dpa) Facebook hat im ersten Halbjahr 2014 weltweit 34 946 Anfragen von Behörden auf Herausgabe von Nutzerdaten erhalten. Das sei ein Anstieg um 24 Prozent im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2013, teilte das Soziale Netzwerk mit. Im gleichen Zeitraum stieg demnach die Zahl der Inhalte, die auf Wunsch der Behörden aus dem Netz genommen wurden, um 19 Prozent. In Deutschland gab es 2537 Anfragen auf Herausgabe von Nutzerdaten, - das bedeutet eine Steigerung von fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
In fast 40 Prozent der Fälle habe Facebook Daten in Deutschland ausgehändigt. In den USA seien sogar über 80 Prozent der insgesamt 15 433 Anfragen erfüllt worden. Vor einer Herausgabe von Daten prüfe Facebook so das Unternehmen, ob diese ausreichend rechtlich begründet sei. Auch Google veröffentlicht Daten darüber, wie oft welche Behörden weltweit an welchen Daten interessiert sind.
Der Staat schnorchelt also auch bei Facebook fleißig mit und zeigt nur mit dem Finger auf die bösen, bösen Datenkraken...