"O du Falada, da du hangest"
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen."
"O du Jungfer Königin, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte,
ihr Herz tät ihr zerspringen."
Den Namen des treuen Pferdes aus dem Märchen "Die Gänsemagd", dessen Kopf über dem Tor angenagelt wird, wählte Hans Fallada zu seinem Pseudonym. Es ist mehr oder weniger Zufall, dass unser Urlaub in Feldberg - in dem der Schriftsteller nach der Befreiung vom Faschismus kurzzeitig Bürgermeister war - und Carwitz, das bis 1944 sein Zuhause darstellte, fast zeitgleich mit der Diskussion gerade des letzten Werkes dieses Schriftstellers in den bundesdeutschen Medien fällt. (Aber natürlich hatte ich ein wenig Literatur bei der Urlaubsplanung im Hinterstübchen)
"Jeder stirbt für sich allein" ist Falladas letzter Roman und letztes Werk überhaupt. Die Berliner Eheleute Quangel haben ihren einzigen Sohn im wahnwitzigen Krieg der Nazis gegen die halbe Welt verloren. Sie starten einen aussichtslosen Widerstand gegen die Nazis und ihren Anführer Hitler und werden 1943 hingerichtet. Hans Fallada erfährt davon aus einer Gestapo-Akte , die ihm durch den Dichter und späteren Kulturminister der DDR, dem Kommunisten Johannes R. Becher übergeben wird. Wie im Fieber schreibt Fallada im Herbst 1946 innerhalb von vier Wochen diesen seinen letzten Roman. Die Quangels haben Botschaften auf Postkarten geschrieben, verteilten sie in der Stadt und merkten nicht, dass ihnen die Gestapo schon längst auf den Fersen ist.
Kaum drei Monate nach Abschluss des Romans stirbt Fallada, ruiniert durch Morphium, Alkohol und Arbeit, an Herzversagen. Er ist in Carwitz begraben.
Für den west- und damit seit 1990 gesamtdeutschen Literaturbetrieb ist typisch, dass man Fallada - wahrscheinlich auf Grund seiner Zusammenarbeit mit dem Kommunisten Johannes R. Becher und seiner Arbeit für die "Tägliche Rundschau" in der damaligen Sowjetzone - offenbar jahrzehntelang ignoriert hat. Erst eine relativ neue englische Übersetzung des Lebens und Leidens des Ehepaars Quangel und der Erfolg des Werks auf dem angloamerikanischen Markt und selbst in Israel brachte die Großkopfeten des deutschen Literaturmarktes zur längst überfälligen Beschäftigung mit dem Werk von Hans Fallada.
Besser spät als nie, möchte man sagen. Wäre da nicht der allzeit fällige Seitenhieb gegen die ostzonalen Kommunisten, die das Buch in der konkret historischen Situation von 1947 tatsächlich kürzten und redaktionell bearbeiteten. "Zensur" schreit der kleinbürgerliche Ästhet, gewohnt, Geschichte in keinem Falle im Zusammenhang, sondern nur punktuell zu betrachten und die Bösewichte generell im Osten zu finden. Und während man nach 1945 Nationalisten und Militaristen recht schnell wieder eine Bühne in Presse und Literatur bot, wurde Fallada im Westen zum Verhängnis, dass er Becher gekannt hatte. Nebenbei: Becher war in seiner Jugendzeit ebenfalls morphiumsüchtig, wusste um das Talent Falladas und wollte diesem wahrscheinlich auch durch die Arbeit am Stoff der Hampels - wie die Quangels in Wirklichkeit hießen- Wege aus der Sucht zeigen.
Nun hat man Fallada entdeckt. Man ist höchst erstaunt, dass es außer dem überwiegend adligen Widerstand des 20. Juli 1944 auch anderen Widerstand gegen den Faschismus gab. Offensichtlich ist in der heutigen Bundesrepublik Deutschland auch völlig unbekannt, dass die Konzentrationslager ursprünglich zur physischen und psychischen Vernichtung der Nazi-Gegner aus KPD, SPD und Kirchen errichtet und durch SA und SS auch eifrig dafür genutzt wurden. Und bürgerlicher Kulturbetrieb wäre nicht bürgerlicher Kulturbetrieb, wenn er Falladas Buch über die Eheleute Quangel nicht auch dafür nutzen würde, gleich alle Deutschen von der Kollaboration mit den Nazis freizusprechen.
Mit diesen Gedanken starteten wir in den dritten Tag unser Kanutour durch die Feldberger Seenlandschaften. Das Wetter war nach wie vor fantastisch und nichts deutete auf die schon am Sonntag vorhergesagte Schlechtwetterfront hin. Der Carwitzer See bietet in seinem Uferbereich meist einen seltsamen Anblick. Fast immer führen ganze Kopfstein"straßen" in den Seegrund hinein. Diese Feldsteine sind Überbleibsel der Eiszeit. Wir nutzten also zum Baden unsere guten alten Badeschuhe, die wir ursprünglich einmal gegen die Seeigel in der Adria angeschaftt hatten.
Meine Schuhe sind blau und so etwas hat die Population der Jungbarsche im See offenbar noch nie gesehen. Man kommt in Scharen, stubst und knabbert an meinen Schuhen herum, dass es eine Freude ist. Auch M.s Waden sind lecker, was ich natürlich bestätigen kann. Jurassic Park in harmlos. Etwa zwei Meter weiter im tieferen Wasser weiden die etwas größeren Fische, die Rotfedern und Bleie. Gibt es etwas Schöneres ? Ich ärgere mich, die Taucherbrille zu Hause gelassen zu haben.

Am Nachmittag entdecken wir dann den Dreetzsee. Wir fahren zunächst durch ein wiederum sehr fischreiches, glasklares Fließ, das Carwitzer und Dreetzsee verbindet. Am Ende des Dreetzsees endet unsere geplante Route. Zwar kann man von hier rein theoretisch bis Templin paddeln, aber die Strecke beinhaltet sieben Umtragestationen. Das artet in Arbeit aus. Die Bäche sollen außerdem unter Umständen zu wenig Wasser für unseren dicken Pott haben und so drehen wir nach einem opulenten Mahl auf dem Zeltplatz am Ende des Sees wieder um. Wir kaufen noch schnell Kekse und Brötchen ein und paddeln retour nach Conow, wo wir nach etlichen Badestationen so ziemlich gegen 9 Uhr abends eintreffen. Unser Sänger im Schilf ist schon wieder am Werk und sägt uns in den Schlaf...
Fortsetzung folgt...
Fotos: Figur zu "Geschichten aus der Murkelei" von Hans Fallada auf dem Carwitzer Spielplatz, Glasklares Wasser im Carwitzer See ( © mv und fv 2011)
Kaum drei Monate nach Abschluss des Romans stirbt Fallada, ruiniert durch Morphium, Alkohol und Arbeit, an Herzversagen. Er ist in Carwitz begraben.
Für den west- und damit seit 1990 gesamtdeutschen Literaturbetrieb ist typisch, dass man Fallada - wahrscheinlich auf Grund seiner Zusammenarbeit mit dem Kommunisten Johannes R. Becher und seiner Arbeit für die "Tägliche Rundschau" in der damaligen Sowjetzone - offenbar jahrzehntelang ignoriert hat. Erst eine relativ neue englische Übersetzung des Lebens und Leidens des Ehepaars Quangel und der Erfolg des Werks auf dem angloamerikanischen Markt und selbst in Israel brachte die Großkopfeten des deutschen Literaturmarktes zur längst überfälligen Beschäftigung mit dem Werk von Hans Fallada.
Besser spät als nie, möchte man sagen. Wäre da nicht der allzeit fällige Seitenhieb gegen die ostzonalen Kommunisten, die das Buch in der konkret historischen Situation von 1947 tatsächlich kürzten und redaktionell bearbeiteten. "Zensur" schreit der kleinbürgerliche Ästhet, gewohnt, Geschichte in keinem Falle im Zusammenhang, sondern nur punktuell zu betrachten und die Bösewichte generell im Osten zu finden. Und während man nach 1945 Nationalisten und Militaristen recht schnell wieder eine Bühne in Presse und Literatur bot, wurde Fallada im Westen zum Verhängnis, dass er Becher gekannt hatte. Nebenbei: Becher war in seiner Jugendzeit ebenfalls morphiumsüchtig, wusste um das Talent Falladas und wollte diesem wahrscheinlich auch durch die Arbeit am Stoff der Hampels - wie die Quangels in Wirklichkeit hießen- Wege aus der Sucht zeigen.
Nun hat man Fallada entdeckt. Man ist höchst erstaunt, dass es außer dem überwiegend adligen Widerstand des 20. Juli 1944 auch anderen Widerstand gegen den Faschismus gab. Offensichtlich ist in der heutigen Bundesrepublik Deutschland auch völlig unbekannt, dass die Konzentrationslager ursprünglich zur physischen und psychischen Vernichtung der Nazi-Gegner aus KPD, SPD und Kirchen errichtet und durch SA und SS auch eifrig dafür genutzt wurden. Und bürgerlicher Kulturbetrieb wäre nicht bürgerlicher Kulturbetrieb, wenn er Falladas Buch über die Eheleute Quangel nicht auch dafür nutzen würde, gleich alle Deutschen von der Kollaboration mit den Nazis freizusprechen.
Mit diesen Gedanken starteten wir in den dritten Tag unser Kanutour durch die Feldberger Seenlandschaften. Das Wetter war nach wie vor fantastisch und nichts deutete auf die schon am Sonntag vorhergesagte Schlechtwetterfront hin. Der Carwitzer See bietet in seinem Uferbereich meist einen seltsamen Anblick. Fast immer führen ganze Kopfstein"straßen" in den Seegrund hinein. Diese Feldsteine sind Überbleibsel der Eiszeit. Wir nutzten also zum Baden unsere guten alten Badeschuhe, die wir ursprünglich einmal gegen die Seeigel in der Adria angeschaftt hatten.
Meine Schuhe sind blau und so etwas hat die Population der Jungbarsche im See offenbar noch nie gesehen. Man kommt in Scharen, stubst und knabbert an meinen Schuhen herum, dass es eine Freude ist. Auch M.s Waden sind lecker, was ich natürlich bestätigen kann. Jurassic Park in harmlos. Etwa zwei Meter weiter im tieferen Wasser weiden die etwas größeren Fische, die Rotfedern und Bleie. Gibt es etwas Schöneres ? Ich ärgere mich, die Taucherbrille zu Hause gelassen zu haben.
Am Nachmittag entdecken wir dann den Dreetzsee. Wir fahren zunächst durch ein wiederum sehr fischreiches, glasklares Fließ, das Carwitzer und Dreetzsee verbindet. Am Ende des Dreetzsees endet unsere geplante Route. Zwar kann man von hier rein theoretisch bis Templin paddeln, aber die Strecke beinhaltet sieben Umtragestationen. Das artet in Arbeit aus. Die Bäche sollen außerdem unter Umständen zu wenig Wasser für unseren dicken Pott haben und so drehen wir nach einem opulenten Mahl auf dem Zeltplatz am Ende des Sees wieder um. Wir kaufen noch schnell Kekse und Brötchen ein und paddeln retour nach Conow, wo wir nach etlichen Badestationen so ziemlich gegen 9 Uhr abends eintreffen. Unser Sänger im Schilf ist schon wieder am Werk und sägt uns in den Schlaf...
Fortsetzung folgt...
Fotos: Figur zu "Geschichten aus der Murkelei" von Hans Fallada auf dem Carwitzer Spielplatz, Glasklares Wasser im Carwitzer See ( © mv und fv 2011)
ein sehr anschaulicher Reisebericht. Ich habe ihn mit Interesse gelesen.
AntwortenLöschenDank auch für den Falada-Bericht. Der Film mit Hilde Knef war übrigens sehr gut gedreht und gespielt. Meines Erachtens führte Wolf Regie.
Die Kommentare der spießbürgerlichen Presse zu Falada waren mir auch bekannt. Dümmer geht´s nimmer. Aber das merken nicht nur wir.
Barnimer
Interessant ist vielleicht auch noch der Bezug Falladas zum Barnim: Fallada war Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts Patient der Suchtklinik in der Schönower Straße in Zepernick, heute Ortsteil von Panketal. Kein ruhmreicher Lebensabschnitt, aber er gehört nunmal zu diesem Schriftsteller.Die Klinik wurde später TBC-Heim, dann Außenstelle des Krankenhauses Bernau. Heute sind dort eine Kita sowie auf einer Anhöhe die Villa einer ehemaligen Altenheim-Verwalterin der Gemeinde Panketal.Tja, mit Alten lässt sich Geld machen, auch wenn die meist keins haben...
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