Es gibt so Sachen, da denkt man, die gibt es nicht. Zum Beispiel, wenn Wladimir Kaminer ( "Mein Leben im Schrebergarten". Manhattan / Wilhelm Goldmann, München 2007; ISBN 978-3-442-54618-3) von seiner Kleingartenkolonie schreibt, die stramm nach Bundeskleingartenverordnung regiert wird und sehr stark an ein Straflager erinnert.Es heißt ja nicht umsonst, dass man einem Deutschen nur eine Mütze aufzusetzen braucht und schon fängt er an, andere zu kontrollieren und herum zu kommandieren.Im Notfall braucht es auch keine Mütze - es reicht ein kleines bischen Macht oder auch nur das Gefühl, früher da gewesen zu sein. Der Erkenntniswert ist jedenfalls immer groß, wenn man als einigermaßen normaler und wenig herrschsüchtiger Mensch auf diese Art von Abnormitäten des Alltags trifft.Und besonders im Urlaub hat man Zeit zum Studium derselben. Unser Studienobjekt war ein Campingplatz am Ausgang des Müritz-Reservats. So wie es wohl nur die Deutschen schaffen, den Zweck eines Wohnwagens - nämlich Mobilität der Wohnung - in sein Gegenteil zu verkehren, stellen sie auch alles Mögliche an, um sich auch wirklich ganz wie zu Hause zu fühlen.Zunächst wird also der Wohnwagen umfunktioniert. Die Räder werden abgeschraubt, die Radkästen verkleidet, ein möglichst fester Vorbau errichtet. Natürlich darf auch ein Zaun nicht fehlen - ganz wie zu Hause. Hinter dem Zaun wird Rasen angelegt - ganz wie zu Hause.Wenn der Rasen wächst, zieren ihn auch sofort ein paar Gartenzwerge - wie zu Hause. Vor den Fenstern installiert man Blumenkästen- ganz wie zu Hause.Selten fehlt ein Kräuterbeet - ganz wie zu Hause.Die Waschmaschine rumpelt, der Satellitenfernseher dröhnt und natürlich muss der Rasen gemäht, der Wohnwagen gesaugt, das Auto betüdelt und auch regelmäßig gewaschen werden. Der überwiegende Teil des Tages wird allerdings damit verbracht, den Nachbarn zu beobachten und z.B. zu kontrollieren, ob er mit seinem Mini-Kompressor (ich liebe derartige Maschinen ob ihres Sounds) die Autoreifen auch richtig aufpumpt. Dezent weist man ihn darauf hin, dass es schon 11 Uhr ist und er sich ranhalten muss, will er sein Tagwerk noch schaffen.Es ist alles wie zu Hause, auch der Einsatz von Gartenmaschinen feiert fröhliche Urstände. Der Mann liest zwischendurch Zeitung und wenn sie mit dem Putzen und Essenmachen fertig ist, beobachten beide zusammen hinter ihrer Wohnwagenumrandung die tatsächlichen Urlauber auf dem Campingplatz. Man muss sich das wie die Holzköpfe in einer Rummelbude vorstellen, die man mit Bällen abschießen kann.Andere Freizeitbeschäftigungen, gar baden ? Fehlanzeige. Gnade uns Gott, wenn dann einer von ihnen den Mund aufmacht, sie kommen alle aus dem finstersten Sachsen und stehen mit ihrem gesamten Haushalt schon seit 40 Jahren an diesem See.Daraus leiten sie natürlich das Recht ab, beim morgendlichen Brötchenholen endlos mit der Kassiererin zu plappern, sie sind ja wie gesagt schon 40 Jahre hier und da können doch diese lästigen Eintagsfliegen, äh- durchziehenden Wasserwanderer, ruhig mal ein wenig warten...
Nun ja, spaßig, schade, das wir nicht Psychologie studiert haben. Der Platz war eigentlich in Ordnung, die Leute an der Rezeption nett und so beschlossen wir, das Zelt noch eine Nacht länger hier stehen zu lassen.Am nächsten Morgen machten wir einen längeren Ausflug mit dem Boot. Wer beschreibt unser Entsetzen, als wir abends von der Seeseite den Campingplatz ansteuerten. Aus der Ferne war alles in dichten, schwarzen Qualm gehüllt. Wir paddelten, was das Zeug hielt, denn natürlich wollten wir unser kleines Zelt retten. Als wir endlich näher kamen, entpuppte sich das vermeintliche Großfeuer als das abendliche Grillen aber auch wirklich aller unserer Dauercamper. Ganz wie zu Hause...
Foto: © fv 2008
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