“Also, ich weiß nicht, was ich von dieser Geschichte halten soll, es ist unglaublich, was man sich so in der "Spiegel"-Kantine erzählt, wo ich neulich zu Gast war." sagte Schweyk zu seiner Gesprächspartnerin von der taz. "Die Leute haben ja gründlich recherchiert über Guttenberg und die Bild-Zeitung, die seltsame Mesalliance von Uradel und Boulevard. Aber auch der Spiegel ist vorsichtig geworden und schreibt nicht mehr alles, was er weiß, sondern nur noch, was er schwarz auf weiß beweisen kann. Das ist in gewissen Situationen, ich sag mal in delikaten Situationen, nicht viel. Deshalb ist mein Gewährsmann auch verbittert, dass seine Story nicht im Magazin gebracht wurde. Na, ich erzähl sie Ihnen, vielleicht haben Sie in der taz ja dafür Verwendung.” fuhr er fort.
“Auch die taz legt Wert auf Recherche und Belegbarkeit, Herr Schweyk, das sollten Sie eigentlich wissen. Wir sind ein seriöses Haus. Wir sind kein Boulevard. Unserer Prozessstatistik ist positiv, obwohl uns durchaus auch mächtige Institutionen am Zeug flicken wollten,” schmallippig und mit einem leicht empörten Unterton setzte die Tazzlerin ihre Worte.
Schweyk nimmt einen langen Zug aus dem Schwarzbierglas.
“Aber Gnädigste, darum geht’s doch gar nicht, wir sind doch hier nicht im Seminar für Presserecht, es geht um eine interessante Geschichte, wie wir sie vielleicht so schnell nicht mehr hören werden. Also entspannen Sie sich, hörns einfach zu:
Als ein allseits bei seinen Lesern beliebter BILD-Kolumnist den Verteidigungsminister zu Guttenberg auf seiner letzten Afghanistantour begleitete - da kochte gerade die Plagiatsaffäre hoch - da führte er am Rande des Besuchs eigene Recherchen über mögliche Versorgungsmängel bei der Truppe durch.
Die Soldaten, die die derbe Ausdrucks- und unverblümte Redeweise des Journalisten schätzen und seine Einstellung ihnen gegenüber ja aus eigener täglicher Lektüre kennen, zeigten sich sehr gesprächig und berichteten von geradezu unglaublichen Versorgungsmängeln, was nun so gar nicht mit den Erfolgsmeldungen, die er täglich im eigenen Blatt lesen konnte, harmonieren wollte. Er kam also arg ins Grübeln.
Die Soldaten mißdeuteten seinen zweifelnden Gesichtsausdruck und zerrten ihn deshalb auf einem schlammigen Weg an den Rand des Feldlagers, wo sich ein aus rohen Brettern mehr schlecht als recht zusammengezimmertes zugiges Latrinenhäuschen befand. Ein Soldat öffnete die schräg in den Angeln hängende Tür und ein anderer stieß den Journalisten mit den Worten hinein: “So sieht das nämlich in Wirklichkeit aus, mit der Menschenwürde des Bürgers in Uniform…”
Irritiert blickte der Journalist um sich, dann sah er die aktuelle Ausgabe der BILD-Zeitung, fein säuberlich in handliche DIN A5 Blätter geschnitten auf dem Nagel hängen. Obenauf sein Kommentar mit dem drastischen Rat aus der Gosse, den er dem Verteidigungsminister während der Plagiatsaffäre und dem Streit um die Doktorwürde jovial zugerufen hatte.
Er rappelte sich wieder hoch, trat aus dem Häuschen, nahm aber bei seinem Abgang die Blätter von Nagel und steckte sie in seine Jackentasche, damit sein sauberer Kommentar nicht beschmutzt würde.
Die Soldaten verfolgten diese Enteignung des Allernötigsten mit mißbilligenden Blicken. Plötzlich lag Feindschaft in der Luft.
Da faßte sich ein Obergefreiter ein Herz und sagte: “Aber bitte, so ist das nicht gemeint, das ist kein Angriff auf Ihre Zeitung, aber was sollen wir machen, bei diesen logistischen Problemen?”
“Keine Bange Kinder, ich helf euch,” antwortete der Kolumnist leutselig, “das bleibt aber unter uns, damit es keinen Ärger gibt, “ und riß mit diesen Worten das in den letzten Tagen häufig in den Medien zitierte Vorwort aus dem ihm vom Verfasser persönlich anvertrauten Rezensionsexemplar der Guttenbergschen Dissertation und steckte die 20 Seiten auf den Nagel. Dann drückte er den gefledderten
Dissertationsdruck dem wackeren Obergefreiten in die Hand: ”Du garantierst den Nachschub, bis hier die Logistik wieder stimmt, die Papierqualität ist ja 1 a, der Rest ist Schweigen!“
Da wußten die Soldaten, das ist kein leerer Schwätzer, kein Blender, sondern einer, den man beim Wort nehmen kann, weil er meint, was er sagt." beendete Schweyk seine Erzählung.
Die Tazzlerin schüttelt den Kopf, “Schweyk, das ist unglaublich, das haben Sie sich ausgedacht oder ihr Ghostwriter- das werd ich mal beim AGA (Amt für Gesprächsaufzeichnung) recherchieren, dann sind Sie blamiert. ”
“Ich erzähl doch nur, was mir erzählt wurde, in der "Spiegel"-Kantine, in Hamburg. Ich weiß nicht, ob das AGA auch dort präsent ist”, wehrt Schweyk ab, um schmunzelnd hinzuzufügen: ”Literarisch ist das unappetitlich, das geb ich Ihnen sofort zu.Vielleicht sollten wir die ganze Geschichte besser vergessen? Noch bevor der Krieg zu Ende ist am Freitag, nachm Krieg um sechs im Kelch.”
*Bisher ließ sich nicht verifizieren, ob der Verfasser des BILD-Zeitungs-Kommentars, “Scheiß auf den Doktor!”, Franz Josef Wagner, Herrn Guttenberg auf dessen letzter Afghanistan-Tour begleitet hat.
Foto: Leere Not (Peter Röhl / pixelio.de)
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