"„Qualität war unser täglich Brot, nun bringt Lieken über 200 Leute in Not“ ist in Abwandlung eines Werbeslogans auf einem Transparent zu lesen, das Mitarbeiter der Bernauer Großbäckerei am Freitag am Zaun des Unternehmens in der Zepernicker Chaussee befestigt haben" berichtet die "Märkische Oderzeitung". Ende April soll der letzte nach der sogenannten Wende verbliebene Bernauer Großbetrieb geschlossen werden.
"Beim italienischen Eigentümer, der Pasta Barilla-Gruppe ist es ist durchaus möglich, dass man da gar nicht weiß, wo Bernau liegt. Ein Abendessen bei Berlusconi ist vielleicht spannender." kommentiert ein Leser der "MOZ" den obengenannten Artikel und hat damit wahrscheinlich Recht. Denn seit Jahren toben in der Branche erbitterte Konkurrenzkämpfe, die zu tiefgehenden Konzentrationsprozessen geführt haben und die immer unbarmherziger werden. Zurück bleiben einige wenige Konzerne, die den Markt beherrschen und tausende vernichtete Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie.
Es ist dem Konzern sicher auch völlig egal, dass Bernau auch nach über 20 Jahren Wiedervereinigung immer noch zu wenig Arbeitsplätze bietet, immer noch Entwicklungsstatus hat und die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt sowieso seit Jahren stagnieren. Nun wird das Geld in der Stadtkasse noch weniger, ein wichtiger Sponsor der Hussiten-Festspiele fällt weg. Ein verheerendes Signal nicht nur für Bernau und den dortigen Arbeitsmarkt.
Wer fast 21 Jahre nach der Wiedervereinigung die Hoffnung hatte, dass die Zeiten des industriellen Kahlschlags und der Massenarbeitslosigkeit im Osten Deutschlands eigentlich vorbei sein müssten, wird wieder einmal eines besseren belehrt. Der Markt richtet es, wie es der großartige, dumme Einheitskanzler wußte und es seine noch dämlichere Nachfolgerin heute noch glaubt. Über 200 Mitarbeiter stehen auf der Straße. “Bereits im Juni vergangenen Jahres waren 70 Mitarbeiter entlassen worden.” schreibt die Märkische Oderzeitung im Leitartikel des Barnim Echos vom 11. Februar. Die Perspektive auf dem Arbeitsmarkt sei für die Produktionsarbeiter nicht günstig, so Constanze Hildebrandt von der Agentur für Arbeit. „Von den 70 Mitarbeitern, die im vergangenen Juni entlassen wurden, sind immer noch 40 arbeitslos.“ Wenn nun weitere 200 dazu kommen, werde es „sehr schwer“, wird sie von der "Märkischen Oderzeitung" zitiert.
Die Bernauer Großbäckerei nahm 1976 die Produktion auf. Ursprünglich handelte es sich um eine Bäckerei vom Typ RWK 4, einem baulichen Wiederverwendungsprojekt, das in dieser Form auch im thüringischen Jena und in Weißenfels/Sachsen-Anhalt gebaut wurde. Die Produktionskapazität des RWK 4 betrug damals pro Jahr 9000 Tonnen Roggenbrot (das sind etwa 6 Millionen Brote pro Jahr) , 2700 Tonnen Weizengebäck und 2600 Tonnen Konditoreiwaren. Die eigentlichen Produktionshallen in Stahlskelett-Montagebauweise waren insgesamt 91 Meter lang, 49 m breit und ca. 7 m hoch. Das zugehörige Mehlsilo hatte die Höhe von über 12 Metern, war fast 20 m lang und 12 m breit..
Ihre erste große Bewährungsprobe bestand der damalige VEB Großbäckerei Bernau schon im harten Winter 1978/79, als es die Beschäftigten trotz Flächenabschaltungen bei Strom und Gas schafften, die Bevölkerung der Kreise Bernau, Eberswalde und Angermünde stabil mit Brot und Brötchen zu versorgen.
Die Qualität des angebotenen Brotes und der Brötchen war gut. Da das Versorgungsgebiet der Bäckerei einfach zu groß war, gab es allerdings einige Frischeprobleme und deshalb Beschwerden aus der Bevölkerung. Schon damals unternahm man daher Anstrengungen, die Frische des angebotenen Sortiments zu verbessern. Allerdings scheiterten fast alle Bemühungen – z.B. das Angebot an den Handel, eine Nachmittagstour zur Belieferung der Verkaufsstellen einzurichten, um so ständig frische Ware anbieten zu können- an der Unbeweglichkeit des Wirtschafts-systems, vor allem aber auch an dem politisch gewollt niedrigen Preis des Grundnahrungsmittels Brot.
Nach der Wende hatte die Großbäckerei verschiedene Eigentümer wie Wendeln oder Kamps, die in unterschiedlichem Umfang in die Produktions-und baulichen Anlagen investierten. Vom ursprünglichen Wiederverwendungsprojekt RWK 4 ist daher bei der heutigen Großbäckerei kaum noch etwas zu erkennen. Nun ist jedenfalls Schluß. Ein Stück Geschichte der Lebensmittelindustrie in Bernau geht zu Ende. Die Beschäftigten gehen höchstwahrscheinlich in die Arbeitslosigkeit.
Allerdings nicht kampflos: Am morgigen Donnerstag wird auf dem Parkplatz vor der Großbäckerei - vor dem sogenannten "Brötchentempel" (dem Werksverkauf für frische Backwaren) - eine Kundgebung mit der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) stattfinden, und zwar in der Zeit von 10 bis 12 Uhr. Alle Bernauer sind aufgerufen, zu dieser Demonstration der Beschäftigten zu kommen. Denn wer nicht kämpft, hat sowieso schon verloren. Und vielleicht haben die Bernauer Glück und sehen bei dieser Kundgebung auch einmal ihren Bürgermeister Hubert Handke. Denn der hat sich bisher überhaupt noch nicht zu dem Vorgang geäußert. Wahrscheinlich träumt er den Traum vom Aufschwung - wie seine Kanzlerin...
P.S.: Herr Handke war da.Und er denkt in diesem Punkte genauso wie die meisten Bernauer. Hoffentlich hilft es!!!
Foto: Maria Bosin / pixelio.de
Herr Doktor,fehlen hier nicht auch ein paar Anführungszeichen...
AntwortenLöschenhttp://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/285041
Richtig. Danke für den Hinweis.
AntwortenLöschenAber nicht gleich zurücktreten,es zeugt ja, dass studiert wurde und nicht nur kopiert wurde.
AntwortenLöschen"Beim italienischen Eigentümer, der Barilla-Gruppe, ist es durchaus möglich, dass man gar nicht weiß, wo Bernau liegt.",damit ist mein Urbeberrecht nicht verletzt worden, sondern nur meine Meinung bestädigt worden.
Gruß Günter
Machen wir aus einer Mücke keinen Elefanden,
Der Artikel ist mit Liebe und Sachkenntnis geschrieben,danke.
War auch nicht ernst gemeint.
@Günter: Ich bin ja nicht Bundesverteidigungsminister und zu meinen Zeiten als Doktorand gab es noch keine Kopierer oder Computer;-) Man musste noch richtig selber schreiben. Aber Sie haben natürlich Recht, auch der Eifer des Gefechts verlangt nach der Quellenangabe. Auch wenn dieses Blog eigentlich vom Abschreiben (und Hinterfragen und Kommentieren)lebt (siehe Impressum)Aber als gelernter Backwarentechnologe bin ich wütend über die geplante Schließung und mir ist einfach das Herz übergeflossen. Meine Fau hat übrigens zwei Jahre in der Großbäckerei Bernau gearbeitet, deshalb sind wir doppelt sauer.Ich
AntwortenLöschenfreue mich auf Ihre weiteren Zuschriften. Kritik ist ausdrücklich erwünscht.
das Werk wird geschlossen.
AntwortenLöschenEs hat nichts genützt.
11.03.2011
Barnimer