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Dienstag, 15. Dezember 2015

Buchempfehlungen

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Hamed Abdel-Samad: Mohamed. Eine Abrechnung. Droemer 2015.
Nach der „Untergang der islamischen Welt“ und „Der islamische Faschismus“ legt gbs-Beirat Hamed Abdel-Samad eine dritte wegweisende Studie zum Themenkomplex „Islam und Islamismus“ vor. Mit bewundernswerter Klarheit zeigt Abdel-Samad eines der Hauptprobleme der islamischen Welt auf, nämlich die kritiklose Verehrung „des Propheten“. Ohne Mohamed zu dämonisieren, arbeitet Abdel-Samad die Schwächen des Religionsstifters heraus, vor allem dessen „multiple Krankheiten“, die tragischerweise an weite Teile der muslimischen Community übertragen wurden: „Fatalismus, Zwangsstörung, Paranoia, Kritikunfähigkeit sowie eine Neigung zum Beleidigtsein“.
Fazit des Buchs: „Fundamentalismus und Intoleranz sind nicht eine Folge der Fehlinterpretation der Texte, sondern eine Folge ihrer Überhöhung. Die Reform des Denkens beginnt, wenn Muslime es wagen, Mohamed aus dem Käfig der Unantastbarkeit zu entlassen und ihn Mensch werden zu lassen – Mensch, der er ja immer war. Erst dann können sie selbst aus seinem/ihrem Gefängnis ausbrechen und Teil der Gegenwart werden, die nicht von Gott, sondern von den Menschen bestimmt wird!“ Ein mutiges, kluges Buch, dem man weite Verbreitung wünscht!
Lesen Sie zum Thema auch das ausführliche ZEIT-Interview mit Hamed Abdel-Samad:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-12/hamed-abdel-sama-islam-kritik-muslime-fundamentalismus/komplettansicht

 

Mouhanad Khorchide: Gott glaubt an den Menschen. Mit dem Islam zu einem neuen Humanismus. Herder 2015.
Mouhanad Khorchide ist einer der mutigsten und gebildetsten liberal-muslimischen Autoren der Gegenwart. Anders als viele Reform-Muslime verschweigt er die Gewaltproblematik im Islam nicht – er geht allerdings (im Unterschied zu Hamed Abdel-Samad, siehe oben) keineswegs so weit, die Wurzeln dafür bei Mohamed selbst zu verorten. In gewisser Weise lässt sich Khorchides Buch, das nicht zuletzt auf Anregung von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon entstanden ist (siehe Khorchides Dankesworte am Ende des Buchs), als Gegen- bzw. Ergänzungsbuch zu Abdel-Samads Schrift „Der islamische Faschismus“ lesen. Der Autor arbeitet die humanistischen Traditionen, die es innerhalb der islamischen Kulturentwicklung durchaus gegeben hat, klar heraus, wobei er sich an den Darlegungen von gbs-Beirat Rolf Bergmeier („Christlich-abendländische Kultur. Eine Legende“) orientiert. Ohnehin zeigt sich Khorchide gegenüber zeitgenössischen Konzepten des säkularen Humanismus aufgeschlossen, die er vor dem Hintergrund seiner Glaubensüberzeugungen freilich nicht voll und ganz teilen kann.
Aus einer konfessionsfreien Perspektive fällt das Urteil über Khorchides Buch ambivalent aus: Einerseits ist es irritierend, dass Khorchide mittels exegetischer Kunstgriffe humanistische Imperative selbst aus solchen Texten herausliest, die in ihrer ursprünglichen Intention mit humanistischen Überzeugungen herzlich wenig zu tun hatten, andererseits kann man es aber kaum hoch genug loben, dass er den Mut aufbringt, die „heiligen Texte“ des Islam einer radikal-humanistischen Neuinterpretation zu unterziehen. Letzteres ist zweifelsfrei von großer politischer Bedeutung, da nicht damit zu rechnen ist, dass eine Milliarde Muslime weltweit dem Weg von Hamed Abdel-Samad folgen werden. Deshalb sind wir auf eine historisch-kritisch argumentierende, humanistisch ausgerichtete Theologie des Islam angewiesen – und Mouhanad Khorchide ist zweifellos einer ihrer wichtigsten Vertreter.
Lesen Sie hierzu auch das dreiteilige Interview mit Mouhanad Khorchide und Hamed Abdel-Samad auf hpd.de:
http://hpd.de/artikel/12305
http://hpd.de/artikel/12306
http://hpd.de/artikel/12307

 

Ensaf Haidar / Andrea C. Hoffmann: Freiheit für Raif Badawi, die Liebe meines Lebens. Lübbe 2015.
Die bemerkenswerten Texte zu Säkularismus, Liberalismus und Humanismus, die zur Verurteilung Raif Badawis in Saudi-Arabien geführt haben, wurden bereits vor einigen Monaten publiziert (Raif Badawi: 1000 Peitschenhiebe. Weil ich sage, was ich denke. Ullstein2015). Mit dem vor kurzem erschienenen Buch seiner Frau Ensaf Haidar erhalten wir nun Einblick in die persönliche Entwicklung eines jungen Mannes, der durch seinen Mut, aber auch durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle zu dem wohl bekanntesten Opfer des religiösen Totalitarismus geworden ist. Ensaf Haidars Aufzeichnungen über ihr Leben, die von der deutschen Nahost-Expertin Andrea C. Hoffmann zu Papier gebracht wurden, zeigen schmerzlich auf, was es bedeutet, in einer geschlossenen Gesellschaft zu leben, die jeden Ansatz von Geistesfreiheit radikal unterdrückt. Bemerkenswert ist dabei die Offenheit, mit der Haidar, die den weltweiten Protest gegen die Verurteilung Badawis initiierte, auch über die Höhen und Tiefen ihrer Ehe berichtet. Weder sie selbst noch ihr Mann erscheinen in dieser Autobiographie als strahlende Helden, sie begegnen uns vielmehr als Menschen, die erst allmählich in der Lage waren, sich von vorgegebenen Dogmen zu lösen, und die auch später noch viele Sachverhalte falsch einschätzten. Ein berührendes, lesenswertes Buch.

 

Gisela Notz: Kritik des Familismus. Theorie und soziale Realität eines ideologischen Gemäldes. Schmetterling Verlag 2015.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Sozialwissenschaftlerin Gisela Notz (Mitglied des gbs-Beirats) hat mit ihrer Studie „Kritik des Familismus“ ein bahnbrechendes Grundlagenwerk vorgelegt, das breite Beachtung finden sollte. Denn die Ideologie des Familismus, die die gesellschaftliche Organisationsform aus dem Konzept einer „Idealfamilie“ ableitet, hat noch immer Hochkonjunktur und führt unweigerlich zur Diskriminierung von Individuen, die diesem Bild nicht entsprechen. In unseren Breitengraden etwa herrscht das Leitkonzept der bürgerlichen (heterosexuellen) Vater-Mutter-Kind-Kleinfamilie vor, das (noch immer meist unhinterfragt) vielen sozialpolitischen Entscheidungen zugrunde liegt.
Gisela Notz beleuchtet in ihrem Buch die Entstehungsgeschichte sowie die Konsequenzen der familistischen Ideologie und deutet an, welche Alternativen denkbar wären. Spannend sind dabei vor allem ihre Exkurse zu den verschiedenen Versuchen der Frauenbewegung, die familistische Ideologie zu erschüttern, sowie zum politischen Einfluss christlicher Zirkel, die sich schon seit Jahrzehnten darum bemühen, den Familismus gegen alle Auflösungserscheinungen zu verteidigen. Ein Muss für all diejenigen, die an ideologiekritischer Theoriebildung interessiert sind.

 

Carsten Frerk: Kirchenrepublik Deutschland. Christlicher Lobbyismus. Alibri 2015.
Nach seinen vieldiskutierten Büchern „Vermögen und Finanzen der Kirchen in Deutschland“, „Caritas und Diakonie in Deutschland“ und „Violettbuch Kirchenfinanzen“ legt gbs-Beirat Carsten Frerk eine weitere aufsehenerregende Veröffentlichung vor: In „Kirchenrepublik Deutschland“ zeigt Frerk auf, dass die Kirchen die „erfolgreichsten Lobbyisten der Republik“ sind, die in politischen Entscheidungsprozessen seit Jahrzehnten schon eine sehr viel größere Rolle spielen als alle anderen nichtstaatlichen Organisationen. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass viele politisch Verantwortliche Funktionen innerhalb der Kirchen ausüben bzw. früher einmal ausgeübt haben. Die personellen Verflechtungen gehen so weit, dass Frerk von einem „gekaperten Staat“ spricht und Befangenheitsregeln für Parlamentarier fordert, da diese – siehe auch das oben verlinkte Gespräch mit Frerk zur Sterbehilfedebatte – oftmals eine Politik verfolgen, die sehr viel eher den Interessen der Kirchen entspricht als den Interessen ihrer Wählerinnen und Wähler.
Website zum Buch sowie zu der noch umfassenderen Studie, die im Auftrag des IBKA erfolgte:
http://www.kirchenrepublik.de/

 


Karlheinz Deschner: Die Nacht steht um ein Haus / Florenz ohne Sonne. Die frühen autobiographischen Romane. Alibri 2016 (SUBSKRIPTION)
Bevor Karlheinz Deschner als „bedeutendster Kirchenkritiker des 20. Jahrhunderts“ von sich reden machte, erschütterte er die literarische Welt als Romanautor und Literaturkritiker. Vor allem seine erste literarische Veröffentlichung „Die Nacht steht um mein Haus“ sorgte für Furore. Wolfgang Koeppen zeigte sich „außerordentlich beeindruckt“, Walter Muschg nannte das Buch „eine vehemente Sache, der man sich nicht entziehen kann“, Peter Rühmkorf „eins von der Sorte, die heut verflucht rar ist … Ein Buch aus Mut und Musikalität.“ Auch heute noch wird diese „radikale Autobiographie“ (Michael Schmidt-Salomon) gewürdigt als „das Werk eines Genies ohne Welt“ (Süddeutsche Zeitung). „Die Nacht steht um ein Haus“ und „Florenz ohne Sonne“ gelten nach wie vor als „Juwelen der unmittelbaren Nachkriegsliteratur“ (Nürnberger Nachrichten), worin sowohl der Literatur- als auch der Kirchenkritiker Karlheinz Deschner bereits deutlich vernehmbar ist. Wer den Menschen hinter dem beeindruckenden Deschnerschen Werk kennenlernen möchte, sollte sich diese sprachgewaltigen autobiographischen Romane nicht entgehen lassen.
Nach „Die Politik der Päpste“ und „Abermals krähte der Hahn“ werden „Die Nacht steht um mein Haus“ und „Florenz ohne Sonne“ als Band 3 der Deschner-Edition des Alibri Verlags erscheinen. Das Buch kann ab sofort vorbestellt werden. Bis zum 30.4.2016 gilt der Subskriptionspreis von 17 Euro, danach wird der Band für 19 Euro abgegeben.


Viel Spaß beim Denken und Lesen...

(Quelle: Newsletter der Giordano-Bruno-Gesellschaft vom 11. Dezember 2015)

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Wir sind noch lange nicht am Ende, wir fangen ja gerade erst an...