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Denkmal des Duc de Richelieu ( © fv 2012) |
Im Februar 2012 begannen wir mit der Vorbereitung unserer Reise an die Küste des Schwarzen Meeres. Es sollte natürlich eine erholsame Reise zur Feier meines sechzigsten Geburtstages werden, gleichzeitig wollten wir Neuland entdecken. Wie weit deckt sich die offizielle Propaganda in den deutschen Medien mit den realen Zuständen vor Ort? Wie ist die wirtschaftliche Situation, wie geht es den Menschen? Was hat sich in den vergangenen 33 Jahren verändert, was ist besser, was ist schlechter geworden? Wie stehen die Chancen für mittelständische Investoren? Als Landespolitischen Sprecher unserer Bürgerbewegung interessiert mich vor allem, ob es Anknüpfungspunkte zu vergleichbaren ukrainischen Vereinigungen gibt. Wie läuft der Wahlkampf zur Werchownaja Rada, dem höchsten Parlament der Ukraine, ab? Gibt es Behinderungen für Oppositionsparteien und -bewegungen? Und nicht zuletzt sollte es eine Nostalgietour unserer Studienzeit werden, denn vor 36 Jahren war ich in Odessa, während M.s Studentensommer genau gleichzeitig auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres stattfand. M. kam drei Tage vor unserer Hochzeit aus Plovdiv/Bulgarien zurück, bei mir waren es noch 2 Tage Zeit bis zum Standesamttermin. Die beiden gedrechselten Folklore-Püppchen, ein Weiblein und ein Männlein, die mir die sowjetischen Studenten damals schenkten, als sie von meinen Hochzeitsplänen erfuhren, stehen seitdem in unserem Wohnzimmer und haben unsere Ehe schon 36 Jahre lang erfolgreich begleitet. Auf den ersten Blick also eine ganze Menge zu tun in der einen Woche, die wir für unseren Aufenthalt geplant hatten.
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Odessa Hauptbahnhof ( © fv 2012) |
An einem Sonntag mittag im Spätsommer ging es am Flughafen Tegel los. Einigermaßen angestaunt vom abfertigenden Lufthansa-Personal - wir fliegen Ukraine International Airlines, werden aber von deutschen Angestellten abgefertigt - da wir offenbar die ersten Deutschen sind, die nach Odessa wollen, avancieren wir schnell zu ausgewiesenen Experten: So werden wir erst einmal ausgefragt, wie lange man nach Kiew fliegt und wieviel die Zeitverschiebung beträgt. Am Gate winkt man uns dann noch einmal heraus, weil der Koffer nun doch nicht automatisch nach Odessa geht. Wir müssen ihn in Kiew-Borispol im internationalen Terminal abholen - da kommen wir an - und ihn ins Binnenterminal zum Weiterflug nach Odessa tragen. Das sind rund 500 Meter mit dem Koffertrolley. Kein Problem und glücklicherweise hat man uns ja nun Bescheid gesagt.
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Reste der Stadtbefestigung mit Blick
auf den Hafen von Odessa ( © fv 2012) |
Überhaupt war die Vorgeschichte dieses Fluges ziemlich problembehaftet: Ursprünglich auf Czech Airlines gebucht, mussten wir 4 Wochen vor Reisebeginn auf UIA umsteigen, da Czech Airlines viermal die Flugdaten änderte. Zuletzt wären wir am geplanten Abflugtag nicht mal mehr bis Prag gekommen, am kommenden Tag hätten wir allerdings nur eine halbe Stunde Zeit bis zum Anschlussflug gehabt und auf der Rückreise einen Tag zusätzlich in Prag verbringen müssen. Weiß der Geier, ob die tschechische Airline keine Fluggäste brauchte. An der Zahl der Passagiere kann es nicht gelegen haben, denn die Boing 737 der UIA ist ziemlich voll. Trotzdem ist der Flug sehr entspannt und wir lernen schon mal, dass "Tee" auf ukrainisch "Tsche" heißt - im Russischen sagt man dagegen "Tschai".
Kiew-Borispol, internationaler Flughafen. Die Grenzkontrollen sind freundlich, keiner sperrt uns in Julia Timoschenkos Nachbarzelle. Der Flughafen glänzt durch ein kostenloses WLAN-Netz. Die in Tegel großspurig ausgewiesenen Hotspots dagegen führen lediglich auf die Webseite des Flughafens, will man nach seinen e-mails sehen, muss man sich kostenpflichtig anmelden. Typisch Berlin, es besteht nur aus großspuriger Fassade und es ist nichts dahinter. Potjomkinsche Dörfer an der Spree. Mit diesem Fürsten werden wir uns noch ausgiebig beschäftigen.
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Das Opernhaus in Odessa ( © fv 2012) |
Durch das WLAN vergeht die Zeit wie im Fluge. Alle zehn Minuten blendet sich der Flugplan ein und man kann sehen, wie es auf der Startpiste vorangeht. Wir starten pünktlich kurz nach 21:00 Uhr in einer noch größeren Boing 737 und geraten an einen außerordentlich gesprächigen Flugkapitän. Er informiert uns auf dem einstündigen Flug etwa alle 10 Minuten über Wetter, Flugdaten, Uhrzeit und die Zipperlein seiner Großmutter. Lustig, ein Routineflug eben.
Wir landen pünktlich, der Koffer ist auch da, die beiden Alenas (auch von den beiden jungen Frauen wird noch die Rede sein) holen uns wie verabredet vom Flughafen ab und geleiten uns zum Hotel. Das Hotel heißt Aparthotel Americano, ist in einem alten Stadtpalais in der Richeljewskaja Uliza etwa 5 Minuten Fußweg von der herrlichen Oper gelegen und schockt uns zunächst etwas durch eine sehr baufällige Treppe. Hinter einer hochherrschaftlichen Wohnungstür überrascht uns dann allerdings auf zwei Etagen ein modern ausgestattetes, perfekt gestyltes, sauberes und preiswertes Hotel mit Breitwand-Plasma-TV, Mikrowelle, Wasserkocher, Kaffeegeschirr und kostenlosem WLAN auf dem Zimmer sowie orthopädischer Matratze im Bett. Sleep well in your fine Bettgestell...
Fortsetzung folgt...
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