Vor etwas über einem Jahr kam ich auf den wahnwitzigen Gedanken, meine Firma auf einer Webseite der Kreditanstalt für Wiederaufbau zum Verkauf anzubieten. Um mich kurz zu fassen: Ich habe die Büchse der Pandora geöffnet. In diesem einen Jahr haben etwa 1200 Leute meine Annonce angesehen, ich durfte etwa fünf Dutzend potentiellen Interessenten erklären, was ich eigentlich mache. Etwa 40 davon zogen sich schon nach meiner verbalen Erläuterung zurück, meist mit verächtlichen Worten der Art,“ da würde zu wenig rüber kommen". Ich machte die traurige Erfahrung, dass man manche Leute zur Arbeit tragen muss und dass die meisten zu einer richtigen Selbstständigkeit nicht fähig waren.
Übrig blieben etwa 15 Interessenten, denen ich nach Unterschrift unter eine Verschwiegenheitserklärung meine "Zahlen" zur Verfügung stellte. Jeder, der schon einmal mit einer Bank zu tun hatte, weiß ungefähr, was es bedeutet, wenn sich jemand die "Zahlen" ansieht. Am schönsten war ein geistiger Tiefflieger, der nach einer einstündigen Videokonferenz die tiefsinnige Frage stellte, "ob man das auch nebenbei machen könne". Der Mann hatte ohne es zu wissen das Zeug zum Bundesgesundheitsminister a la Klabauterbach in sich. Jeder Patient liegt bestimmt gerne auf dem OP-Tisch und wartet darauf, dass der Operateur mal so ganz "nebenbei" dringend benötigtes OP-Material geliefert bekommt.
Na ja. Da ich nun mit den Bewerbern so gar nicht zu Stuhle kam, war ich aufrichtig erfreut, dass sich in den zähen Schleim ein Makler einschaltete. Lange Rede kurzer Sinn - besser wurde es dadurch nicht, der Mann machte eigentlich nichts außer mir jede Woche einmal eine Stunde lang am Telefon ein Ohr abzukauen Zwei bis drei Bewerber wollten von mir noch Geld für die Übernahme der Firma haben, den Laden natürlich sofort schließen und mir in ein bis zwei Jahren einen gewinnabhängigen geringen Obolus zahlen. Wie haben wir als Jugendliche immer gesagt? Ach ja, am Ar… hängt der Hammer.
Am Dienstag nun besuchte ich mit einem weiteren Kaufinteressenten einen Workshop der Industrie- und Handelskammer zum Thema Unternehmensnachfolge. Von den rund fünfzig Anwesenden im Publikum waren offensichtlich 98 % Leidensgenossen. Die Referierenden oder Referentinnen und Referenten - unsere führenden Banken inklusive Staatsorgane hatten ihr bestes Personal aufgefahren - taten vorn auf dem Podium wirklich alles für den Beweis meiner These, dass es in Deutschland und der Europäischen Union niemals ein Silicone Valley geben wird . Aus bestimmten Gründen.
P.S.: Dem Makler habe ich inzwischen gekündigt, gleiches geschah den Wichtigtuern , die jede betriebswirtschaftliche Kennziffer drei bis viermal gewendet haben und dann immer noch nicht zufrieden waren. Ich meine ja nur, dass wir seit 21 Jahren jede unserer Verpflichtungen und fast jeden Kundenwunsch erfüllt, keine Schulden und sonstige Belastungen aufweisen, gut gelebt haben und sogar eine Rente erhalten (was offensichtlich bei Selbstständigen im Osten Deutschlands nicht selbstverständlich ist).
Warum also muss ich meine Firma wie Sauerbier anpreisen? Der Käufer würde die komplette intakte Firmenhülle eines kleinen Großhändlers (KMU) mit Corporate Identity, Ausstellungsstand, allen behördlichen Anmeldungen wie Zollnummer, Institutionskennzeichen, Berufsgenossenschaften, Betriebsnummern usw funktionierenden Kooperationsbeziehungen zu Herstellern und Speditionen sowie einem kleinen, aber kaufenden Bestandskundenstamm erwerben. Man muss natürlich 2-3 Jahre so richtig knüppeln, so wie ich es auch gemacht habe. Aber das scheint zu viel verlangt zu sein in Zeiten des Verfalls von Staat und Gesellschaft, der wahnwitzigen Überregulierung jeder wirtschaftlichen Initiative, wo jede neue technische oder technologische Entwicklung sofort als Bedrohung eingestuft und zurecht gestutzt werden muss, in Zeiten, wo Schulden Sondervermögen und Kriege wieder Frieden heißen, wo nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. Und Dödel politische Karriere auf dem Rücken der Nettosteuerzahler machen.Ein Gutes hatte die ganze Nerverei: Ich bin jetzt bereit, mich bis zum Ende meiner Tage mit meinem Bauchladen zu beschäftigen und mich eines Tages in dem Ding beerdigen zu lassen ....
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