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Montag, 3. Februar 2014

Wo ist eigentlich Europa ? (Teil 7)

Als wir vor nunmehr fast anderthalb Jahren aus der Ukraine zurückkamen, stand das Land kurz vor den Wahlen zur Werchnaja Rada, dem obersten Parlament. Zur Erinnerung: Wir hatten uns eine Woche lang in der Hafenstadt Odessa über die Lebensumstände dort, über die Investitionsmöglichkeiten für kleine und mittelständische Unternehmen sowie über die Programme der zur Wahl stehenden Parteien informiert. Einen sechsteiligen Podcast (also eine Art Hörspiel) über unsere Reise, zur Geschichte und zu den möglichen Zukunftsaussichten der Südukraine findet man unter diesem Link. (Auf die Fotos im  Player klicken, so sind alle sechs Teile abrufbar). In den letzten Tagen informiere ich mich auch gern im Tauroggen-Blog, der sich z.B. sehr eingehend mit der Geschichte der Westukraine auseinandergesetzt hat, auch mal die Rolle des polnischen Nationalismus beleuchtet und anscheinend auch von Quellen in der Ukraine selbst gespeist wird.

Unsere Eindrücke nach einwöchigem Aufenthalt waren durchwachsen. Wir hatten uns mit Wahlkampfhelfern verschiedener Parteien, darunter auch der des Boxweltmeisters Klitschko unterhalten können. Vor Klitschkos bombastischen Wahlkampfauftritt in Odessa waren wir allerdings geflohen, weil uns der riesige Aufwand und der Lärm sowie seine roten Fahnen etwas irritiert hatten. Ich kam zu dem Ergebnis, dass eine Verbesserung der Lebensbedingungen in der Ukraine nur im harten Widerstand gegen die Oligarchen - zu denen man neben der aktuellen auch alle bisher an der Regierung gewesenen Politiker, also auch die einsitzende Julia Timoschenko, zählen muss - und wahrscheinlich nur von außen kommen kann. Insofern kann man die Bevölkerung verstehen, die seit 20 Jahren von den jeweils herrschenden Politikern, den Oligarchen und Mafiosi hingehalten und betrogen wird und deshalb wahrscheinlich nur zu gern den Versprechungen der EU glauben möchte.

Klitschko ging dann bei den folgenden Wahlen 2012 als Dritter ins Ziel, vor ihm rangierte die jetzige Regierungspartei als stärkste Kraft. Zweite wurde die Partei der Multimilliardärin Timoschenko. Die Wahlen liefen nach Einschätzungen internationaler Beobachter geregelt und sauber ab. Es gab im wesentlichen keine Beanstandungen.

Inzwischen ist Klitschko, der Timoschenko-Partei und anderen dubiosen Bündnispartnern eingefallen, den parlamentarischen Weg zu verlassen. Dabei gehen sie über Leichen. Klitschko probt den Boxeraufstand und will das Ergebnis der Wahlen von 2012 korrigieren. Die EU möchte sich die Ukraine als neuen Absatzmarkt einverleiben und die US-Amerikaner würden liebend gerne dem Herrn Putin ihre Raketen in den Vorgarten stellen. Das ganze soll der Preisboxer durchkämpfen. Der US-amerikanische Außenminister Kerry und einige Politiker  der EU unterstützen ihn darin, darunter natürlich auch Deutschland als der treueste Vasall der USA. Eigentlich fehlt in diesem Reigen nur noch der alte Blutsäufer und Bürgerkriegsanstifter Genscher. Der hat sich allerdings mit der Befreiung des Oligarchen Chodorkowskys aus den "Klauen" des bösen Putin  keinen Gefallen getan, denn der superreiche Steuerhinterzieher Ch. begab sich umgehend in die Schweiz, ohne sich vor den Karren der ewigen kalten Krieger spannen zu lassen.

 Nebenbei: Alle diese oben genannten Brandstifter reisen ungehindert nach Kiew, um die sogenannten Aufständischen zu unterstützen. Allein der Fakt, dass die ukrainische Regierung diese Leute ungehindert einreisen lässt, spricht doch dafür, dass die Ukraine ein zutiefst demokratisches und freiheitliches Land sein muss, oder?

Vordergründig verspricht man den Ukrainern  Freiheit, Menschenrechte  und wirtschaftlichen Aufschwung - so wie man es schon in Libyen, Tunesien oder Ägypten getan hat. Im Hintergrund und vor allem geht es wohl darum, die EU-
Odessa - Standbild des Herzogs Richelieu (© fv 2012)
sowie die Nato-Außengrenzen weiter in Richtung Russland zu verschieben. Die Berliner Morgenpost brachte es denn auch gestern in einem Kommentar auf den Punkt: Die Hauptfeinde der so genannten westlichen Welt sind zur Zeit der Iran, die Volksrepublik China und natürlich Russland. Die Gründe dafür sind einerseits vorgeschoben, andererseits offensichtlich:
Den Völkern in der EU und vor allem natürlich in Deutschland wird gepredigt, dass man den Russen, Persern und Chinesen unbedingt Freiheit und Menschenrechte bringen muss. In Wirklichkeit sollen die Regierungen dieser Länder dafür abgestraft werden, weil sie sich nicht unter US-amerikanischen Einfluss stellen lassen wollen.

Wie die Propaganda funktioniert, kann man sich im Moment im Zusammenhang mit den olympischen Winterspielen in Sotschi ansehen. Da wird bis zum Erbrechen von Menschenrechtsverletzungen in Russland schwadroniert. Gemeint ist wohl vor allem ein Gesetz gegen die Darstellung von Homosexualität in den Medien. Ich möchte die Putinsche Homophobie hier nicht werten.Vielleicht ist die russische Gesellschaft in dieser Hinsicht zurück geblieben. Allerdings erscheinen diese Belehrungen gerade aus einem Land, dass den berüchtigten § 175 erst unter dem Druck der deutschen Wiedervereinigung und dann auch noch erst im Jahre 1994 abgeschafft hat, als pure Heuchelei. Interessant wäre doch in diesem Zusammenhang mal eine Statistik, in wie vielen katholischen Kirchen Deutschlands bisher die Homo-Ehe zelebriert wurde oder in wie vielen Bundesstaaten der USA die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich möglich ist?

Die Springer-Presse ist natürlich auch jetzt wieder das Maschinengewehr der typisch deutschen Demokratie  und fällt dabei manchmal fürchterlich auf die Nase: In einem Interview  mit dem deutschen Chef de Mission in Sotschi, Michael Vesper, über Kritik an Russland und die Ziele für die Olympiade legte man dem Mann zunächst in den Mund, dass man olympische Spiele nur noch an lupenreine Demokratien wie Deutschland  (DAS mit der lupenreinen Demokratie in Deutschland glauben die bei Springer anscheinend wirklich) vergeben sollte. Vesper konnte darüber offenbar noch lachen. Als er dann allerdings zum Ausdruck brachte, dass man - würden die Spiele demnächst wieder in die USA vergeben - leidenschaftlich über Guantanamo diskutieren müsste, widmete sich der Reporter der "Mottenpost" ganz schnell sportlichen Fragen.

 Zurück zur Ukraine: Der Boxer mit dem einen Kampf zuviel und ohne Verantwortungsgefühl hat gerade eben vor den imperialistischen Scharfmachern dieser Welt in München gesprochen und er hat den sich anbahnenden Bürgerkrieg befeuert. So wie es derzeit in der Ukraine aussieht, kann es allerdings auch nicht bleiben. Aus eigener Anschauung des Landes bin ich ratlos, d.h. eigentlich habe ich nur einen Rat an die Ukrainer: Traut keinem und steckt alle, aber wirklich alle Eure Politiker, Oligarchen, Mafiosi, den Kerry und die Ashton in einen Sack. Vergesst auch den Boxer nicht oder die anderen, die  im Moment stets und ständig nach Kiew reisen oder Euch aus dem Berliner Regierungsviertel gute Ratschläge geben wollen.Und haut ordentlich mit dem Knüppel auf diesen Sack drauf, Ihr trefft immer die Richtigen.

Will sagen: Nehmt Eurer Schicksal selbst in die Hand...
   

2 Kommentare:

  1. Klitschko fühlt sich einfach gebauchpinselt. Er ist plötzlich wichtig und dass als "Politiker". Dass er Marionette ist, will er sich sicherlich nicht eingestehen. Die Ukrainer (eigentlich gibt es die nicht) sollen ihre Feinde (salopp formuliert) in einen Sack stecken? Dazu müsste man wissen, wer der Feind im eigenen Land ist. Da geht es den Ukrainern genauso wie den Deutschen. Viele in der Ukraine wittern bei der EU-Assoziierung den Konsum, den angeblich Janukowitsch ihnen verweigert. Um etwas anderes geht es hier nicht bei den Massen, wie selbst Interviews von unseren "Qualitäts"medien zu Tage förderten. Dass sie von der EU um diesen Konsum betrogen werden sollen, hat sich nicht bei ihnen herumgesprochen, weil auch Janukowitsch es nicht eindeutig mit Zahlen belegt hat, was auf die einfachen Menschen zugekommen wäre beim Assoziierungsabkommen. Sie hätten es ihn sicherlich auch nicht geglaubt. Wie ging die Redewendung 1989 bei uns? Marlboro, Bananen und VW Golf. In diesen 3 Worten war zusammengefasst, was die Ostdeutschen wollten. In der Ukraine ist es nicht anders.

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  2. @Pe Wi: Wahrscheinlich hats Du Recht. Aber kann man es den Menschen verdenken? Viel schlimmer sind doch die Strolche, fir diese enttäuschten Menschen vor ihren Karren spannen.

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Wir sind noch lange nicht am Ende, wir fangen ja gerade erst an...