Er hätte sie unterdrückt, sie hätte sich unter ihm erst viel zu spät verwirklichen können, weil sie ihm vier Kinder aufziehen und den Haushalt führen musste. Wie dumm muss ein Schreiberling sein, der solchen Unsinn verzapft ? Denn wie verwirklicht sich ein Mensch mehr als in seinen Kindern? Wenn er denn will und kann. Manch einer kann oder will es nicht und zieht nur Monster oder gar nicht groß. Eva konnte es und ab und zu hat ihr der Erwin dabei geholfen, wenn er aus seiner Arbeitstube und der Welt des "Ladens" oder "Wundertäters" auftauchte. Dass sich Eva spät auch in der Literatur verwirklichte, kann auch nur jemanden verwundern, der sein eigenes tägliches Zeitungsgeschmiere für große Kunst hält. Auch Erwin sammelte ein halbes Leben lang, bis sich seine Bücher aus ihm Bahn brachen. So etwas muss eben reifen.
Fremdgegangen soll der Erwin sein, betrogen soll er sie haben. Nun, könnte man sagen, Erwin war eben auch nach einigen Ehen noch neugierig. Manch einer tobt sich in seiner Jugend aus und gibt dann eine Suchanzeige der Art "Suche vernünftiges Mädchen - biete Perpetuum mobile" auf. Er stößt sein kleines Hörnchen ab, verliert nie die Hoffnung und wird dabei so schlau, dass er dann einmal Errungenes schätzt und schützt. Wenn es zutrifft, dass Männer alle 20 Sekunden nur an das "Eine" denken (Frauen wahrscheinlich alle 19 oder 21 Sekunden ?) , dann ist wohl jeder von uns schon einmal fremdgegangen. Wenigstens in Gedanken. Erwin war da anders. So sind auch seine großen Werke nicht denkbar ohne die darin enthaltenen "Weibergeschichten".
Aber auch diese Angelegenheit war eine Sache nur zwischen Eva und Erwin und vielleicht noch der beteiligten Dritten und gehört nicht in einen Nachruf. Wie gesagt: Widerliches Geschmiere und Gekritzel jener Art von Dilettanten, die sich heute Jounalisten schimpfen.
Wie es wirklich um die Beiden stand, zeigt Evas Nachwort in Erwins letztem Werk "Vor der Verwandlung - Aufzeichnungen". Es sei mir gestattet, den letzten Absatz aus diesem Text zu zitieren:
"Nach seinem Tod (Erwin Strittmatters - der Autor) fing eine Amsel an, unser Haus zu belagern. Flog gegen die Fenster, saß auf den Simsen, hackte gegen die Scheiben, erschreckte die Hausgäste, wenn sie um vier Uhr in der Frühe mit ihren Klopfwerk begann. Ihre Morsezeichen hallten über das Tal. Wenn wir bei seinem Grab auf dem Friedhof gegenüber dem Haus standen, konnten wir sie von dorther hören und sehen. Niemals in vierzig Jahren war etwas geschehen, was diesem hier glich. Zwar Schwalben flogen jedes Jahr in die Zimmer und versuchten, Nester zu bauen. Aber eine Amsel, die Monat für Monat beim Haus blieb, war es ein Zeichen? Die Amsel war sein Vogel, er liebte sie über alle anderen Vögel. Wir sagten: die Vateramsel ist da."
Nun fliegen sie wieder gemeinsam- Mutteramsel und Vateramsel...
Foto: Brandenburger Landschaft ( © fv 2009)
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