
Zuerst einmal: Nein, ich bin mit der Überschrift nicht viel zu früh. Nein, ich will hier auch keine Rassenhetze betreiben. Und ja: Obwohl wir gleich nach der Wende aufgrund der überwiegend "formidablen" Leistungen der "Aufbauhelfer" von drüben schon bald feststellten, dass unseren westdeutschen Landsleuten ganz offensichtlich ein Gen fehlen müsse, gibt es auch vernünftige Wessis. Man muss manchmal lange suchen, aber es gibt sie. Meist sind es Menschen wie Du und ich, die ihr Leben mit ihrer Hände Arbeit finanzieren, keine Männätscher und keine Funktionäre der sogenannten Volksparteien. Natürlich gibt es - wie früher bei uns - auch kleine, miese Spitzel, die um eines Vorteils willen ihre Kollegen beim Chef anschwärzen. Auch Solidarität zwischen den Arbeitenden darf man sich nicht anmerken lassen. Es ist eben alles anders geworden, allerdings nicht besser. Aber das nur nebenbei.
Es geht mir wieder einmal um Erinnerungen. Ich breche nämlich gleich zu einem großen Augenärztekongress auf und da werden mir einige der hier beschriebenen Herrschaften sicherlich über den Weg laufen. Leider. Aber ich muss sie nicht mehr grüßen und ich lache ihnen frech ins Gesicht.
Also: Vor einigen Jahren war ich für die deutsche Niederlassung einer großen US- amerikanischen Firma unterwegs. Zusammen mit mir fing der neue Konzernchef in den USA an, ein Schotte, der bei der Deutschen Bank gelernt hatte. Deutsche Bank und BWLer - eine unheilvolle Kombination, wie wir alle gerade in letzter Zeit wieder einmal sehen konnten. So begab es sich, dass unser Schotte, der natürlich gut deutsch sprach, zuerst die deutsche Niederlassung besuchte. Zur Weihnachtszeit.
Jetzt war es allgemein üblich, dass sich der Außendienst kurz vor Weihnachten in der Firmenzentrale in E. im schönen Baden-Würtemberg einfinden musste. Es ging - wie konnte es anders sein - um die Planerfüllung des laufenden und um die Planung des kommenden Jahres. In dem von mir beschriebenen Jahr war uns allen nicht besonders wohl. Die famose Gesundheitspolitik von Ullalla aus Aachen hatte zu großen Einbußen geführt, die Ärzte waren unsicher und nahmen nicht genug von unseren Implantaten ab. Im Meeting mussten wir alle die Hosen herunterlassen und Tacheles reden. Unsere Planerfüllung lag bei 98,7 Prozent ! Eine Katastrophe und der neue
CEO schon fast im Haus! Unsere Bosse zogen sich zu einer mehrstündigen Beratung zurück.
Auf der anschließenden Betriebsversammlung wurde die Planerfüllung dann verkündet: Einhundertkommaeins Prozent!Der Schotte war fast zufrieden, jedenfalls fiel das ganz große Köpferollen aus.
Da waren sie wieder: Das "Neue Deutschland" und die Wirtschaftsabteilung des ZK der SED. Bis heute habe ich nicht wirklich herausgefunden, warum dieses Wirtschaftssystem eigentlich effizienter sein soll als das sozialistische. Das heißt, so eine Ahnung kommt mir des öfteren hoch, wenn ich an die Erkenntnisse von Karl Marx über die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen denke. Eine Kollegin aus Bayern brachte es einmal genau auf den Punkt: Es liegt nicht an den Häuptlingen, es liegt an den vielen fleißigen und vor allem ängstlichen Indianern.
P.S. Wie es der Zufall wollte, stand ich damals unglücklicherweise in der Nähe unserer Großkopfeten, als sich der Deutschlandchef des Unternehmens mit unserem phantasievollen Jahresergebnis spreizte und dabei meinte, dass sich "mit vollen Hosen gut stinken ließe". Und da ich Idiot bei dem Mann ein wenig Intelligenz voraussetzte - er hatte immerhin einen höheren Universitätsabschluß und war ein Chef, er konnte doch nicht völlig doof sein - gab ich vermeintlich spaßig zu bedenken, das wäre doch eine etwas zu
vulgärökonomische Herangehensweise. Na ja, man lächelte sehr finster und Monate später hatte ich dann nach kurzer Arbeitslosigkeit auch schon einen neuen Job...
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