Herbsttag
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris
Madeira ( ® fv 2019)
Als wir vorige Woche abends im Imbiss am Hafen in W. saßen und unsere Suppe löffelten - ja, es wird wieder Eintopfzeit - kamen wir mit den Tischnachbarn auch über das Wetter ins Gespräch. Spontan fiel mir der Rilke ein.
Die Natur funktioniert ohne Befehle, mal besser, mal schlechter. Jedenfalls aus unserer Perspektive gesehen. Man muss nicht in die Kirche rennen oder an irgendeinen "Herrn" glauben, wenn man dieses kurze Gedicht mag. Kultur eben.
Nun, es sitzt sich tagsüber noch sehr schön in unserem Garten. Aber ab 6 Uhr abends wird es kühl und die Strickjacke hilft auch nur bis gegen 7. Es ist eben Zeit ...
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