Vorgestern war Finanzausschuss-Sitzung in unserer kleinen Stadt am Rande Berlins. Die SPD- sowie die CDU/FDP-Fraktion in der Stadtverordneten - versammlung hatten zwei Anträge eingebracht, die im Jugend- und Sozialausschuss bereits abgelehnt worden waren. Es ging in beiden Anträgen um sogenannte Bolzplätze für die Fußball-Jugend. Generell lobenswert, denn wir merken seit Jahren, dass die Kinder immer fetter werden und sich zu wenig bewegen. Sport tut also Not.
Während nun die SPD für 350.000 € lediglich einen neuen Bolzplatz für Schönow bauen lassen will, geht es der CDU-/FDP-Fraktion sowohl um den Schönower Platz, als auch um ein neues Großkunstrasenfeld mit Beleuchtung und Rasenheizung in Bernau-Rehberge. Gesamtinvestitionssumme: ca. 1,5 Millionen €. Nun hätte man sich im Vorfeld der Entscheidungsfindung sicher schon zusammensetzen und eine gemeinsame Vorlage einbringen können. Aber na ja, sei's drum.
Vor meinem geistigen Auge erschienen die vielen Fans des 1. FC Union in Köpenick, die im vorigen Jahr ihr Stadion (fast)ausschließlich in Eigenleistung ausgebaut hatten. Und als ehemaliger Wassersportler sind mir nicht nur aus DDR-Zeiten trotz aller Sportförderung die Arbeitseinsätze u.a. zur Bootspflege (Abschleifen aller Holzboote, Schäden ausbessern, Lackieren) in Erinnerung. Nein, als meinen Freunden vom Richtershorner Ruderverein e.V. vor Jahren das alte Fachwerk-Bootshaus quasi unter dem Hintern wegbrach, organisierten sie sich Fördermittel und bauten flugs ein neues Bootshaus. Selbst, mit dreißig Prozent Eigenleistungen. Keiner der Sportfreunde trat dabei an den regierenden Bürgermeister heran und bat um den Neubau dieser Sportstätte. Vielleicht liegt diese unterschiedliche Herangehensweise daran, dass sich SPD und CDU/FDP in Bernau von den Fußballern Wählerstimmen versprechen?
Nun sind Sitzungen des Finanzausschusses allerdings nicht der Ort, um dieser Art von philosophischen Betrachtungen zu frönen. Eigeninitiative und eigenes Denken, wo gibt es so etwas bei der SPD oder gar bei der CDU? Und dann noch mit Jugendlichen ? Undenkbar. Und dann musste sich der Finanzdezernent auch noch als Ewiggestriger outen, weil er meinte, Fußball ließe sich auch mit zwei Mauersteinen als Tor spielen. Noch undenkbarer sowas ! Wenigstens die Rasenheizung muss her. Das steht unseren Kindern zu! Den Vorlagen wurden dann auch trotz heftigster Gegenwehr des Bürgermeisters folgerichtig zugestimmt, es geht nun - nach Beratung in Hauptausschuss und SVV - in die Planungsphase.
Ich hatte mich schon bei der Vorbereitung der Sitzung über einige inhaltliche Formulierungen gewundert. Den Begründungen der Vorlage von CDU und FDP war von Seiten der zuständigen Fachabteilung der Stadtverwaltung heftigst widersprochen worden. Die Beheizung des Rasens durch einen vorhandenen Erdwärmeanschluss war als gegeben, ohne Aussagen zur Kapazität der Anlage angenommen, ein Fledermausbunker - Relikt der Sowjetarmee - gleich ganz geschliffen worden, weil "dort seit Jahren keine Fledermaus mehr gesehen wurde". Die fachkundigen amtlichen Naturschützer werden sich über diese hochqualifizierte Aussage freuen, erspart sie doch eine Menge Arbeit.
Am schönsten aber war für mich - den durch die 3. Hochschulreform der DDR glücklicherweise verhinderten Sprachwissenschaftler - ein wundervoller Satz des Beschlussvorschlages der CDU-/FDP- Fraktion im schönsten Amtsdeutsch: " Entsprechende Zuschauertraversen werden bedacht."
Darüber habe ich lange nachgedacht, kommt dieser Satz doch einem Orakel nah. Soll nun über die Zuschauertraversen ein Dach gebaut, sie quasi überdacht werden ? Oder wird über Zuschauertraversen nachgedacht? Ist das Dach nun angedacht oder hat man gar schon vorgedacht? Hat man sich den Bedarf an Bolzplätzen nur ausgedacht oder ist er wirklich da? Wenn schon Nachdenken, dann mit Bedacht. Ansonsten wird man sich eines Tages bedanken ohne Bedachung im Regen. Und wird vom Volk ausgelacht. Bedenken muss man auch die Aussage von Onkel Dagobert aus Entenhausen: "Vorgetan und nachgedacht, hat Manchem schon viel Leid gebracht." Hat man diesen wichtigen Satz bedacht? Nun, ich habe da einen ganz bestimmten Verdacht. (siehe oben)
Leider ist Dagobert, der reichste Mann von Entenhausen, weder mit unserem Hubert noch mit dem Stadtkämmerer verwandt. Womit wir mit wieder beim schnöden Geld wären: Stadtverwaltung, Kämmerer und Bürgermeister lehnen beide Baumaßnahmen strikt ab. Die Begründung ist, dass in den kommenden Jahren - also im Planungs- und Realisierungszeitraum - dafür kein Geld mehr da sein wird und die Stadt sich auf ihre Pflichtaufgaben konzentrieren muss. Bolzplätze gehören nicht zu diesen Pflichtaufgaben. Diese Einstellung der Stadtverwaltung wurde auch nicht dadurch relativiert, dass unser Hubert am Schluss der Diskussion sogar davon sprach, dass er eigentlich immer ein Leichtathletikstadion für Bernau bauen wollte.
"Denke, denke, denke !" sagte an diesen Stellen immer unser Pittiplatsch im Fernsehen und ich dachte schon wieder darüber nach, ob zu den Pflichtleistungen der Stadt eigentlich auch der Bau meterbreiter und - dicker Autobahnschneisen durch unsere noch einigermaßen ruhigen Wohngebiete gehört. Oder ob man nicht dieser Material -und Geldverschwendung auch im Sinne unserer Lebensqualität lieber Einhalt gebieten und die Straßen etwas schmaler bauen sollte, um die eingesparten Mittel für wunderschöne Sportplätze oder gar Stadien auszugeben...
Foto: Spielfeld der Kita Heidestraße in Schönow ( © fv 2011)
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