Mein Vater war Mathe- und Physiklehrer. Seit ich denken kann, schrieb er zweimal im Jahr die Zeugnisse für fast immer 30 Schüler, deren Klassenlehrer er war. Und er war immer Klassenlehrer. In der DDR bedeutete das Zeugnisschreiben, dass auf dem Zeugnis auch eine längere verbale Einschätzung des Schülers zu stehen hatte. Diese Beurteilung wurde meist auch noch stichprobenartig vom Schuldirektor kontrolliert.
Vater bekam immer die schlimmsten Problemklassen, da er sich als Lehrer stets durchsetzen konnte, das beste in seinen Schülern aufspürte und die Rabauken fast immer auf Vordermann brachte. Messerstecher oder gar eine Räuberbande mit genialen Safeknackern, die monatelang ganz Ostberlin unsicher gemacht hatte oder ein hochbegabter Grafiker, der sein Talent zum Fälschen der Monatsmarken der BVG mittels simpler Buntstifte einsetzte, gehören zu den legendären Geschichten eines altgedienten Diplom-Gewerbelehrers, der als Berufschullehrer angefangen hatte, im Berliner VEB "7. Oktober" von einem "lieben" Kollegen wegen eines politischen Witzes verpfiffen wurde und wieder als einfacher Werkzeugmacher arbeiten musste. Seine Lehre hatte er nach englischer Kriegsgefangenschaft in Westberlin weiterführen wollen, hatte aber schnell feststellen müssen, dass im Westen die alten Wehrwirtschaftsführer ohne jede Schamfrist einfach weiter machten. Deshalb ist er damals in den Osten gegangen. Der "liebe" Kollege haute übrigens nur wenige Wochen später nach dem Westen ab und Vater wurde rehabilitiert. Allerdings wollte er nun nichts mehr mit seinen Berufsschulbonzen zu tun haben und entschied sich, in der Volksbildung bei Margot Honecker weiter zu machen.
Da er nicht in der SED war (und Anfang der 1970iger sogar aus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft austrat) hat er es allerdings Zeit seines Lebens nicht zum Studienrat gebracht. Ich besitze noch längere Protokolle über sog. Aussprachen mit Schuldirektor und SED-Parteisekretär, in denen ihm ein unsicherer Klassenstandpunkt bescheinigt wurde, weil er sich verständnisvoll über den Ausreiseantrag einer seiner Kolleginnen geäußert hatte. Diese Protokolle sind im Tonfall dermaßen gehässig und im Inhalt so infam, dass man sie eigentlich vernichten müsste. Direktoren und Parteisekretäre waren dann auch in der Regel nie Klassenlehrer, weil sie als Erzieher und Pädagogen stets versagten. Vater bezeichnete dieses Vertreter seines Standes dann auchimmer als Leerer, als Briefkastenleerer.
Warum ich das alles erzähle? Nun, es gibt offenbar auch an der Richard-Wossidlo-Schule in Ribnitz-.Damgarten derartige Bonzen, die gerne denunzieren und sogar zu feige sind, sich mit ihren Schülern von Angesicht zu Angesicht auseinander zu setzen. Vielleicht auch nur einen derartigen Jan-Dirk Z. und die anderen Lehrer sind so gestrickt, wie es mein Papa war. Diese Lehrer gibt es nämlich auch, ich kenne welche. Und vielleicht hat dieser Jan-Dirk Z. bei der 16 Jahre alten Schülerin noch nicht alles versaut ...
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