Wenn mich etwas in diesem Land immer wieder verblüfft, ist es der Verfall der Pressefreiheit und der Schreibkultur und des damit verbundenen Desinteresses des gemeinen Zeitungslesers. Gestern zum Beispiel im Wartezimmer meines Hausarztes, der treu und brav jeden Morgen die "Märkische Oderzeitung" auslegen lässt. Die "MOZ" - wie sie kurz genannt wird - ist natürlich ein treudoofes Brandenburger SPD-Blatt und nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt wird. Dementsprechend gestaltet sich das Interesse der Leser. In der halben Stunde, die ich hustend im Wartezimmer verbrachte, hat nicht einer der Patienten die Zeitung aufgeschlagen. (Es wäre wahrscheinlich interessant gewesen, abends die Knickfalten zu untersuchen.)
Gerne erinnere ich mich an die herrlichen Zeiten nach der sogenannten Wende: Das Sturmgeschütz der Demokratie, der “ Spiegel“, kostete noch ganze fünf DM und wenn ich in Berlin in den Zug einstieg, hatte ich in Frankfurt am Main noch immer Lesestoff für den gesamten einsamen Abend im Hotelzimmer. Und das Lesen machte noch Spaß. Der Verfall der Diskussionskultur und der damit verbundenen, grassierenden Meinungsmache in den Zeitungsredaktionen dieser Republik fand in den letzten 32 Jahren statt. Ich habe ihn hautnah miterlebt.
Kurzzeitig keimte bei mir einmal Hoffnung auf, als vor ein paar Jahren die "Berliner Zeitung" an einen ostdeutschen Milliardär verscherbelt wurde. Tatsächlich schien die Zeitung einen unabhängigen Kurs zu verfolgen, die Stasivergangenheit des Eigentümers -ich denke noch heute oft darüber nach, wie man als Ostdeutscher zu einer Milliarde kommen kann - spielte im öffentlichen Bewusstsein keine Rolle und es machte teilweise sogar Spaß, das Wurstblatt zu lesen. Inzwischen aber scheint man sich redaktionell nur noch an irgendwelchen Freaks aus herbeiimaginierten "Szenen" zu ergötzen (die normale Menschen wie ich nicht kennen können oder wollen) oder man gräbt Mumien aus der DDR aus.
Ausriss aus dem "Kulinarium" |
Ursula machte es mir jedenfalls nicht leicht. Ich hatte der Bibliothek extra ein Schreiben unserer FDJ-Leitung vorlegen müssen (wie Angela Merkel war auch ich damals in der FDJ gewesen), dass ich berechtigt wäre, westliche Kochbücher einzusehen und damit wahrscheinlich Frau Winningtons unbändigen Publikationsdrang behinderte. Was ist auch eine poplige Studentenzeitung, die auf irgendwelchen Papierresten gedruckt wurde, gegen das gewaltige und damals allseits beliebte, stets vergriffene "Magazin" ?
Na ja, lang ist es her. Besserung ist auch heute nicht in Sicht, höchstens nach einer weiteren Wende. Evolution wäre allerdings besser.
Mir bleibt an dieser Stelle, allen unseren Lesern - seit diesem Jahr bin ich nicht mehr allein, es gibt bei Vallis Blog jetzt einen Auslandskorrespondenten- einen guten Rutsch zu wünschen. By the way, but last but not least: Danke an Tony, wir kennen uns jetzt auch schon 52 Jahre.
Möge das Neue Jahr 2023 vor allem eines werden: GESUND.
Und die Vernunft möge wieder in dieses Land einziehen und die Dummköpfe wie die Dinos aussterben
AntwortenLöschenSo sei es !
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