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Donnerstag, 5. Juni 2014

Eine klare Analyse der deutschen Außenpolitik

"... Frau Bundeskanzlerin, es ist ja neuerdings in der deutschen Debatte zu einem Vorwurf geworden, wenn jemand versucht, etwas zu verstehen. Ich glaube, zumindest das kann man Ihnen, Frau Merkel, nicht vorwerfen: Sie sind wirklich keine Versteherin weder von Russland noch von Frankreich noch von anderen Ländern , Sie glauben offenbar eher, die Probleme von oben herab lösen zu können.


"Wir müssen aufhören, eine hochgefährliche halbhegemoniale Stellung, in die die Bundesrepublik wieder hineingerutscht ist, in alter deutscher Manier rücksichtslos auszuspielen." Das schreibt Ihnen und der gesamten Bundesregierung der Philosoph Jürgen Habermas ins Stammbuch. Er meint damit vor allem, aber nicht nur den demütigenden Umgang mit Frankreich...

... In der Ukraine ist Europa schon gescheitert. Das Land versinkt in einem blutigen Bürgerkrieg. Wie schön klangen doch die blumigen Versprechungen, die Sie den Ukrainern noch vor wenigen Monaten gemacht haben. Angeblich wollte die deutsche Regierung die Kräfte, die für Demokratie, für Freiheit und für Europa sind, gegen jene unterstützen, die für Oligarchie, für Armut und für Korruption stehen. Heute unterstützen Sie eine Regierung, der vier Minister einer offen antisemitischen und antirussischen Nazipartei angehören, eine Regierung, die den Konflikt erst richtig angeheizt hat und heute brutal Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt. Sie stützen einen Präsidenten, der seine Wahlkampagne mit seinem milliardenschweren Raubvermögen und einem eigenen Fernsehsender betrieben hat, einen Oligarchen, der dem früheren Staatschef Janukowitsch an Korruption, Gangstertum und krummen Geschäften in nichts nachsteht und der übrigens auch einmal sein Minister war.

Damit es nicht zu peinlich wird, belügen Sie die Öffentlichkeit hinsichtlich der wahren Situation in der Ukraine, zu der eben gehört, dass schwerreiche Oligarchen wie afghanische Warlords eigene Privatarmeen finanzieren und das Land schamlos ausplündern, während ein Großteil der Ukrainer in drückender Armut lebt, einer Armut, die sich infolge der jetzt dem Land von der EU und vom IWF diktierten Kürzungen weiter verschärfen wird. Sie verschweigen, dass bewaffnete Schlägertrupps des rechten Sektors nach wie vor auf dem Maidan campieren, dass sich Linke in vielen Teilen der Ukraine nicht mehr ohne Gefahr für Leib und Leben frei bewegen können und dass die Regierung statt einer Entwaffnung dieser marodierenden Nazibanden lieber ein Parteiverbot der Kommunistischen Partei betreibt.

Der Mord an über 40 Zivilisten in einem Gewerkschaftshaus in Odessa, das von diesem rechten Mob angezündet wurde und in dem die Opfer lebendig verbrannten, ist leider keine russische Propaganda, sondern grausame Realität, eine Realität, die mit dem von Ihnen gemalten Bild einer weltoffenen proeuropäischen Ukraine nichts zu tun hat.


Ist es nicht geradezu verantwortungslos, einer Regierung, die so offenkundig elementarste demokratische Maßstäbe verletzt, auch noch mit Milliarden an EU-Geld unter die Arme zu greifen? Wäre es nicht sehr viel naheliegender, sich dafür einzusetzen, dass die Raubvermögen der Oligarchen endlich der ukrainischen Bevölkerung zurückgegeben werden? Da liegt genug Geld, um die Finanzprobleme der Ukraine zu lösen.


Schluss mit Oligarchie und Korruption! Demokratie und bessere soziale Absicherung: Das waren die Anliegen der ursprünglichen Maidan-Bewegung. Sie wurden von den aktuellen Machthabern in Kiew komplett verraten auch von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, indem Sie diese Machthaber unterstützen.


 Was für die EU gilt, das gilt genauso für die Ukraine. Nur wenn die Menschen eine soziale Perspektive haben, wird auch das Land eine haben. Die erste Bedingung dafür ist ein Ende des Bürgerkriegs. Der neue Präsident unternimmt noch nicht einmal den Versuch, die Lage zu deeskalieren. Er will keine Gespräche und keine Verhandlungen, sondern den gnadenlosen Einsatz militärischer Gewalt, obwohl jede Erfahrung lehrt, dass es in Bürgerkriegen keine schnellen Siege gibt, sondern nur endloses Blutvergießen.

Frau Merkel und Herr Steinmeier, wenn Sie nach all den Fehlschlägen Ihrer Ukraine-Diplomatie zu einer verantwortungsvollen Außenpolitik zurückkehren wollen, dann setzen Sie Poroschenko unter Druck, den Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu stoppen und den Weg zu Verhandlungen und einem Waffenstillstand zu eröffnen. Dann können Sie das Putin auch glaubwürdig sagen und ihn entsprechend unter Druck setzen.
 
Dazu gehört es aber eben, die legitimen Interessen aller Seiten ernst zu nehmen. Genau das hat der Westen gegenüber Russland über Jahre sträflich vernachlässigt. Heute sieht es doch selbst der frühere US-Verteidigungsminister Robert Gates so, dass die NATO-Osterweiterung ein Fehler war, ein Fehler, der - so Gates wörtlich - "die Ziele der Allianz untergrub und das, was die Russen als ihre nationalen Lebensinteressen betrachteten, verantwortungslos ignorierte."

Genauso verantwortungslos ist es, über Artikel 10 des EU-Assoziierungsabkommens die Ukraine in eine gemeinsame Verteidigungspolitik mit der EU und damit faktisch in eine Kooperation mit der NATO einbinden zu wollen. Genauso verantwortungslos ist die absurde Sanktionsdebatte, die das Klima weiter verschlechtert

und die das Potenzial hat, der deutschen und der europäischen Wirtschaft massiv zu schaden, während sich US-amerikanische Gas- und Ölkonzerne ins Fäustchen lachen. Es gibt keinen Frieden und keine Sicherheit in Europa ohne oder gegen Russland.


Es liegt deshalb in der unbedingten Verantwortung der Bundesregierung, sich klar und entschieden gegen Obamas erschreckende Kriegsrhetorik und die angekündigte Truppenstationierung in Osteuropa auszusprechen. Wir brauchen keine weitere militärische Provokation.Wir brauchen auch nicht noch mehr Waffen in dieser waffenstarrenden Welt.


Wer genau 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges und nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges immer noch über führbare Kriege inmitten von Europa nachdenkt und fantasiert, der ist, muss ich sagen, krank im Kopf und der muss in die Schranken gewiesen werden, egal ob er Obama, Rasmussen oder sonst wie heißt.

 Deshalb, Frau Merkel: Lösen Sie sich endlich aus dem Schlepptau dieser US-Kriegspolitik. Setzen Sie sich - möglichst gemeinsam mit Frankreich - dafür ein, dass Europa sich diesem Eskalationskurs verweigert.

Der französische Historiker Emmanuel Todd hat Deutschland ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Ich zitiere ihn: "Unbewusst ... sind die Deutschen heute dabei, ihre Katastrophen bringende Rolle für die anderen Europäer und eines Tages auch für sich selbst wieder einzunehmen."..."

Auszüge aus einer Rede von Dr. Sahra Wagenknecht (Fraktion DIE LINKE) am 4. Juni 2014 im Deutschen Bundestag. Die teilweise völlig blödsinnigen oder senilen Zwischenrufe von CDU/CSU - und Grünen-Abgeordneten im Stile eines Marcus Lanz oder eines Kasperletheaters sind von mir gestrichen worden. Ich will mich nicht noch mehr für diese sogenannten Volksverteter schämen ...

1 Kommentar:

  1. ja, ich habe einige Reden der gestrigen Debatte ausgehalten und mußte wiedermal feststellen, dass lediglich Dr. Wagenknecht die Wahrheit denken kann und sie auch größtenteils ausspricht. Haben wir es denn nur noch mit senile Idioten zu tun?
    Man schämt sich fremd - aber für ganz Europa. Mit dem Friedensnobelpreisträger als drohenden Schatten!
    20 km hinter Gnesen/Polen sind US-Truppen stationiert und bei den Letten benehmen sie sich schon wie Besatzer.

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Wir sind noch lange nicht am Ende, wir fangen ja gerade erst an...