Heute früh beim Studium der Zeitung fühlte ich mich an den Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger erinnert, der in einem Sketch einen Polizeiwachtmeister der Züricher Polizeihauptwache mimte. Einen Anrufer, der mitten in der Nacht einen Bombenfund melden wollte, beschied er kurz und knapp, dass die Polizei nicht kommen könne. Draußen wäre es ja dunkel!
Kein Witz ist so weit hergeholt, dass er nicht noch Realität werden könnte. Jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland. In etwas abgewandelter Form wurde der Sketch von Emil gestern in Schwedt an der Oder nachgespielt. Dort sagte man ein feierliches Gelöbnis der Bundeswehr wegen des Winterwetters ab.
Da der für das Gelöbnis vorgesehene Sportplatz unter einer gewaltigen Schneedecke von sage und schreibe 300 Metern - äähh, Verzeihung - 30 Zentimetern, das sind immerhin 300 Millimeter, ächzt, hat der dortige Kommandeur das Gelöbnis abgesagt und - wie neulich die Sonnenfinsternis - in die Kaserne verlegt. Kommandeur Oberstleutnant Peter Bomhardt wies natürlich Schwedter Zyniker in ihren Schranken, die Vergleiche zur Nationalen Volksarmee gezogen hatten, da diese Armee zwar niemals Krieg geführt hat, aber immerhin Schnee fegen konnte. "Für die Rekruten ist das Gelöbnis ein feierliches, wichtiges Ereignis. Weshalb sollen wir sie bestrafen, für dieses Ereignis tagelang Schnee schippen zu müssen? Das würde ich nie machen." wird der Oberstleutnant zitiert.
Nun versteht mich nicht falsch: Ich brauche derartige profaschistische Rituale wie diese öffentlichen Gelöbnisse der Art "Deutschland ist wieder wer!" aus der Zeit des GröFaZ nicht. Im Gegenteil. Ich finde es nur bezeichnend, dass es Offiziere gibt, die Arbeit als Strafe empfinden. Ich war ja schon immer der Meinung, dass in Deutschland nur der Offizier wird, der zu faul zum Arbeiten ist. Dieses Vorurteil wurde also bestätigt.
Trotzdem darf ich mich ja als besorgter Bürger mal fragen, was unsere Bürger in Uniform wohl täten, wenn bei 30 cm Schnee plötzlich der Feind am Stadtrand von Schwedt erscheint? Da der aber mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht kommt und es in Afghanistan offensichtlich keinen Schnee gibt oder man ihn dort in guter alter Wehrmachtstradition von Zwangsarbeitern wegschaffen lässt, gehört dieser Winter zumindest in Schwedt den Pazifisten. So wird es aber leider nicht bleiben...
Foto: Kein Feind, aber Willy bei 30 cm Schnee in Sicht ! ( © fv 2010)
Quelle: "Märkische Oderzeitung" vom 13./14.2.2010
Danke für diesen amüsanten Beitrag!
AntwortenLöschenIch habe mich bereits beim Lesen gefragt, was die Wehr... äh... Bundeswehr wohl im Ernstfall tun würde. Nun wissen wir es. Sie sagen den Krieg einfach ab. Das ist sowieso die bessere Lösung.
Also ich habe 1974-79 meinen Grund-Wehrdienst bei der Bereitschafts-Polizei Eisenhüttenstadt abgedient.
AntwortenLöschenZur Ausbildung gehörte eine mehrtägige Übung zum Hochwasserschutz. Die Übung wurde jedoch wegen Hochwasser der Oder abgesagt.
Abgesagt wurde jedoch das alljährliche 10-tägige Zelt-Winterlager auf Lankes Dönitz-Gelände nicht.
http://www.welt.de/printwelt/article236772/Doenitz_Bunker_bietet_Fledermaeusen_Luxus_Quartiere.html
Habe es auch überstanden.
Meine „Vorgänger- älteres Dienstjahr“ schwärmten aber von Ihren Winter-Arbeitseinsatz in der Braunkohle…wie Sanatorium – bestes Essen in Überfluss, Bananen, Apfelsinen, Schokolade, Kuchen, 2.warmes Frühstück, die reinste Mastkur.
Aber das Beste war, nach der Arbeit - Frei-Bier - und Frauen, Frauen und Frauen…
Mit Südfrüchten, Schokolade usw. wurden wir übrigens auch in Überfluss versorgt, als wir halbjährig ohne aufsehen und Zwischenfälle den Atom-Zug (abgebrannte Stäbe) von Reinsberg bis Polen auf unseren Fahrzeugen begleiteten.
Tja, was "lernt" uns das? Unser Leben war durchaus bunter und viel interessanter als das im Westen! Und diese erkenntnis ist durchaus vielschichtig gemeint...
AntwortenLöschenstimmt, Neanada, Krieg absagen ist immer das Beste, leider passiert das gegenwärtig in Afghanistan nicht. Ansonsten konnte ich mir natürlich ebenfalls das Schmunzeln nicht verkneifen.
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