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Freitag, 20. März 2009

Die Starstecher

Neulich war hier von der modernen Operation des Grauen Stars (Katarakt) die Rede. Jahrhundertelang kurierte man die Katarakt allerdings durch sogenannte Starstiche . Schon in babylonischer Zeit wurde mit einer so genannten „Starstichnadel“ in das Auge gestochen und die getrübte Augenlinse auf den Boden des Augapfels gedrückt. Dadurch konnte das Licht ohne Hindernis auf die Netzhaut fallen, der Patient konnte wieder sehen, wenngleich durch die fehlende Brechkraft der Linse eine starke Fehlsichtigkeit (etwa +20 Dioptrien) die Folge war. Durch häufige Infektionen erblindeten viele Menschen in der Folgezeit vollends und verstarben auch an dieser Art von OP. Im Mittelalter entwickelte sich die Kunst der Starstecherei zu einem guten Geschäft. Lange bevor sich die Augenheilkunde als eigenständige medizinische Disziplin etablierte, waren es die fahrenden Starstecher und Oculisten, die von Ort zu Ort und von Jahrmarkt zu Jahrmarkt zogen, um, wie es hieß, Blinde sehend zu machen. Sie operierten ohne Betäubung und unter haarsträubenden hygienischen Bedingungen. Endete der Eingriff fatal, waren sie längst über alle Berge. Oft war es ein Spektakel wie jenes von Gauklern auf einer Bühne vor Publikum, wenn Starstecher Operationen an Menschen vornahmen, deren Linsen sich getrübt hatten und die nicht mehr sehen konnten. Gelang der spektakuläre Eingriff, der kaum eine Minute dauerte, waren dem Oculisten Ruhm und neue Kundschaft gewiss. Ohne Linse konnte der Patient zwar nicht mehr scharf sehen, aber auch das schemenhafte Sehen bedeutete tatsächlich eine erhebliche Verbesserung seiner Lebensbedingungen. Kam es später – nachdem der obligate Verband abgenommen war – zur Entzündung des Auges und der Patient erblindete wieder oder verstarb sogar an einer Wundinfektion, war der Starstecher meist schon weiter gezogen und vermied es üblicherweise tunlichst, im selben Ort noch einmal aufzutauchen.

Eines der berühmtesten Opfer eines Oculisten ist der große Musiker und Komponist Johann Sebastian Bach (* 21. März. nach dem julianischen Kalender / 31. März 1685 nach heutiger Zeitrechnung in Eisenach; † 28. Juli 1750 in Leipzig). Bach war ein deutscher Komponist, Orgel- und Klaviervirtuose des Barock. Er ist heute einer der bekanntesten Tonschöpfer überhaupt, dessen Musik spätere Komponisten wesentlich beeinflusst hat und dessen Werke im Original und in zahllosen Bearbeitungen weltweit präsent sind. Sein Geburtstag jährt sich in diesem März zum 324. Mal.

Am Ende des Jahres 1749 war Bach nahezu blind geworden und konnte überhaupt nicht mehr komponieren und schreiben. Der damals berühmte Oculist John Taylor stach ihn Ende März 1750 den Star und konnte dadurch etwas Sehkraft wieder herstellen. Bis Mai 1750 war Bach ernstlich krank, dann ging es ihm wieder besser und ein neuer Schüler zog bei ihm ein und half ihm bei der Revision der "Achtzehn Orgelchoräle" (BWV 651-668). Im Juli konnte Bach wieder sehen, bekam kurze Zeit danach vermutlich eine Wundinfektion und starb am 28 Juli 1750 an den Folgen von Schlaganfall und Lungenentzündung im Alter von 65 Jahren.

Taylor zog weiter durch Europa und hatte die Vermessenheit, auch am preussischen Königshof aufzutreten und um den Titel "Hofoculist" zu bitten. Der preussische König Friedrich II. soll ihm zwar diesen Wunsch erfüllt haben, verbot ihm aber gleichzeitig, die Hand " an den Körper eines Unserer Unterthanen zu legen" und bedrohte ihn bei Zuwiderhandlung mit dem Strick.
Taylor lancierte in den Berliner Nachrichten eine Meldung , dass er den "Capellmeister Bach" erfolgreich "operiret" habe und zog weiter. Auch Georg Friedrich Händel (* 23. Februar 1685 in Halle an der Saale; † 14. April 1759 in London) litt unter dem Verlust seines Augenlichts durch den Grauen Star und konsultierte Taylor. Am 24. August 1759 stand im London Chronicle die Nachricht von der Wiedergewinnung des Augenlichts des berühmten "Mr. Handel" mit Taylors Hilfe. Doch auch Händel überlebte die Operation nur um wenige Monate. Todesursache: Der Oculist John Taylor.

Wie man sieht, hat sich in den letzten Jahrhunderten auf augenmedizinischem Gebiet viel getan.
Zumindest in Europa und Nordamerika. In Asien und Afrika ziehen immer noch Starstecher durch die Lande. Und wo die nicht helfen können, bleiben die Menschen vielfach blind. Eine Intraokularlinse ist eigentlich erschwinglich, nur nicht für Menschen in der sogenannten dritten Welt. Die Christoffel - Blindenmission organisiert weltweite Hilfe für blinde und augenkranke Menschen. Sie schickt Ärzte und Material. Wie gesagt, eine Intraokularlinse ist erschwinglich...


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Wir sind noch lange nicht am Ende, wir fangen ja gerade erst an...