Abseits von den großen Jubelfeiern, wo man dem Volk süßen Brei um's Maul schmiert oder es besoffen quatscht, holt uns immer wieder die Realität ein. The proof of the pudding is in the eating, sagt der Engländer. Also überprüfen wir mal, was es mit der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten auf sich hat. Ist doch alles super, oder ? Kohl kann zwar nicht mehr kommen zu den Feiern, aber für einen Ehrendoktor wegen seiner Verdienste reicht es immer noch. Und die anderen Schreibtischtäter ergehen sich in penetranter Selbstbeweihräucherung, wie gut doch diese "Wiedervereinigung" gelaufen ist.
Das Sozialgericht Berlin entschied in der vergangenen Woche abseits von allem Gesülz von Friede, Freude und Eierkuchen etwas schier Unglaubliches: Für die Beurteilung der Frage, ob ein Beschäftigungsort im Beitrittsgebiet - das ist die DDR -oder in den alten Bundesländern liegt, ist auch zwei Jahrzehnte nach der sogenannten Einheit die Lage des Büro-Haupteinganges ausschlaggebend.
Vor seiner Entlassung im Frühjahr 2009 erzielte der Kläger als angestellter Geschäftsführer einer Immobilienfirma ein außergewöhnlich hohes Einkommen. Als Arbeitslosengeld stand ihm nicht wie sonst üblich ein gewisser Prozentsatz seines letzten beitragspflichtigen Einkommens zu, sondern nur der gesetzlich festgelegte Höchstsatz. Dieser ist im Beitrittsgebiet (Osten) niedriger als im Westen, denn er berechnet sich nach der immer noch unterschiedlich hohen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (für 2009 monatlich 5400 € West und 4550 € Ost). Der Kläger verdiente oberhalb der Grenzen. Das Bürogebäude, also der Beschäftigungsort, in dem der Kläger arbeitete, steht genau auf der alten Grenze zwischen Ost (Stadtteil Mitte) und West (Stadtteil Tiergarten) in der Ebertstraße 2 am Potsdamer Platz (Beisheim-Center), im einstigen "Niemandsland". Der Haupteingang in der Ebertstr. 2 liegt im Osten, 3/4 des Grundstücks, der ehemalige Büroraum des Klägers und auch ein Hintereingang liegen im Westen. Die Bundesagentur für Arbeit ging von einem Beschäftigungsort im Osten aus. Der Kläger meinte, im Westen Berlins gearbeitet zu haben.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:
Ein Beschäftigungsort liege im Osten, wenn sich dort der Haupteingang befindet, so dass der Kläger deshalb von der Bundesagentur für Arbeit ca. 200 € weniger Arbeitslosengeld im Monat erhält. Für die örtliche Zuordnung ist nach Auffassung des Gerichts die Anschrift des Bürogebäudes ausschlaggebend. Dieses Kriterium ermögliche eine eindeutige und praktikable Zuordnung. Unerheblich sei die Lage des überwiegenden Teils des Bürogebäudes, die mitunter erst nach umständlicher, sachverständiger Vermessung der Arbeitsstelle und Abgleich mit Katasterauszügen ermittelt werden kann. Auch auf den Standort des Schreibtischs innerhalb des Gebäudes komme es nicht an, da dies zu reinen Zufallsergebnissen führen würde.
Fast 21 Jahre nach dem Mauerfall, 20 Jahre nach dem Anschluß der DDR, 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg - in dessen Ergebnis die Zonengrenzen in Berlin entstanden waren - gibt es immer noch zweierlei Deutsche in diesem Staat. Man hat von offizieller Seite wirklich allen Grund, diesen verlogenen Staat auch noch zu feiern...
Foto: Verena N., www.pixelio.de
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