Lug, Trug und Schmeichelei mein Fall.
An diese Worte des jungen William Shakespeare fühlte ich mich gestern im Paul-Wunderlich-Haus in Eberswalde erinnert, als ich auf der Zuschauerempore des Kreissaals dem Tätigkeitsbericht der Kreisverwaltung lauschte. Der amtierende Landrat Bockhardt witterte offensichtlich schon Morgenluft, denn nur Minuten später sollte nach dem Willen der SPD-CDU-FDP- Front im Kreistag der ehemalige Landrat Ihrke neu in das Amt des obersten Beamten des Kreises gewählt werden. Man war sich schon lange einig und hatte fast alles getan, um diese Wahl auch durch zu drücken. Zunächst hatte man versucht, die Direktwahl zu verhindern. Von der berühmtesten Tochter der Stadt Eberswalde, Dagmar Frederic, die übrigens schon lange nicht mehr in EW wohnt, bis hin zum zum letzten Sparkassen-Zweigstellenleiter war man sich einig gewesen: Ihrke musste wieder her. Und man war sich sicher: Ihrke würde nun nach der gescheiterten Direktwahl mit überwältigender Mehrheit durch den Kreistag gewählt werden. Wer sollte das verhindern ? Die Linken hatten sich in der Vorauswahl am Montag auf einen völlig unbekannten, eher zufälligen Kandidaten festgelegt, weil man dem Unabhängigen, der beim ersten Wahlgang der Direktwahl immerhin 14,9 Prozent der Stimmen der Wählerinnen und Wähler erringen konnte, noch immer nicht über den Weg traute. Die Grünen waren zutiefst uneinig und die Unabhängigen waren zu Wenige. Also, leichtes Spiel für Ihrke war angesagt. Seine Kamarilla versprühte schon länger Selbstgefälligkeit sowie Hohn und Spott gegen den politischen Gegner. Viel hing von der Wiederwahl des alten Landrats ab: Sollte er nicht wieder gewählt werden, würde man den Lärm des Zusammenbruchs der Seilschaften und Klüngelrunden bis hin nach Bayern hören. Aber, es war ja keine Gefahr in Sicht.
Und dann kam Bockhardt mit seinem Rechenschaftsbericht. Zunächst das übliche Blabla, das man in dieser Form immer wieder hört im Stile "Höher,weiter, schneller - vorwärts zum XX. Parteitag" - welcher Partei auch immer. Der entscheidende Fehler unterlief ihm allerdings, als er den Kreistagsabgeordneten und Zuschauern mitteilte, dass das Barnimer Jugendamt über jede Kritik erhaben und
ein Opfer der Medien sei. "Weiter so, wir machen keine Fehler" war das Fazit seiner Rede. Ich spürte förmlich den innerlichen Aufschrei der großen Anzahl von Menschen mit einem Gewissen da unten im Saal, so wie ich das empörte Gemurmel einer Mehrheit unter den Gästen neben mir auf der Empore hören konnte.
Der Rest ist Geschichte.
Eine Geschichte, so unglaublich wie vieles im Barnim. Ein fünfundreißigjähriger, äußerst sympathischer Bundespolizist und Verwaltungsfachwirt, der seit anderthalb Jahren hier im Barnim wohnt, fast niemanden kennt, den fast niemand kennt, der uns später im persönlichen Gespräch bei einem Bier erzählt, dass er durch Zufall auf die Annonce mit der Stellenausschreibung gestoßen ist,
hebelt Bodo den I. aus! Und wäre nicht dieses unselige Los gewesen, hätte es im Barnim auch endlich mal wieder vorwärts gehen können. Dafür haben wir jetzt im Barnim also einen Lotto-König...
P.S. : Zu meiner Rolle in diesem wahrhaft Shakespearschen Stück:
Mit 14,9 Prozent der Wählerstimmen bei der Direktwahl und 10, 7 Prozent der Stimmen der Kreistagsabgeordneten habe ich ein beachtliches Ergebnis eingefahren. Wir als Unabhängige wollten Ihrke verhindern, denn Ihrke bedeutet Klüngelwirtschaft, Stillstand und letztlich Rückschritt für unseren Landkreis. Es wäre beinahe geglückt.
Ich selbst und meine Mitstreiter haben fast ein halbes Jahr gekämpft. Herzlichen Dank an alle Mutmacher und Mitkämpfer, an meine Mutter und meine beiden Söhne, die mir immer die Daumen gehalten haben! Mein Vater konnte mich leider nicht mehr begleiten, er ruht seit dem Sommer vergangenen Jahres auf dem Schönower Friedhof und fehlt mir täglich mehr. Aber der größte Dank gebührt natürlich meiner lieben Frau! Ich liebe Dich!
Ich werde mich nun wieder voller Freude und Spaß an der Sache verstärkt um mein Geschäft kümmern. Ich bin innerlich gewachsen , habe viel gelernt und eine Vielzahl von sympathischen Menschen kennen gelernt. Die unsympathischen Menschen wollten mich nicht kennenlernen. Gut so. Ich werde weiter machen, an anderer Position, bei anderen Themen. Denn Politik braucht Aufsicht.
Zur Position des Landrats gestattet mir bitte noch ein Zitat, das meine Position zu dieser Funktion ganz gut zum Ausdruck bringt. Es ist vom ollen Fontane, der wie ich aus einer alten Hugenottenfamilie stammt und offenbar auch die modernen Brandenburger sehr gut kannte:
"... und wenn Du auch nicht Landrat wirst, so wirst Du doch vielleicht mehr werden, nämlich - glücklich. " Und das brauche ich nicht mehr zu werden, ich bin es. In diesem Sinne: Bis morgen !
Foto: Alte Wahlplakate