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Donnerstag, 29. Mai 2008

Lücken in Robert Havemanns Lebenslauf

Im folgenden zitiere ich einen Leserbrief von Dr. Günther Schreiber, Köln, veröffentlicht in der "F.A.Z." vom 22. Juli 1995.

>>Zu Ihrem Bericht „Prozess gegen Rich­ter des SED-Regimekritikers Havemann" (F.A.Z. vom 13. Juli 1995): In der Vita des Pro­fessors Robert Havemann werden die Jah­re von 1945 bis 1963 immer sehr gestrafft. In diesen Jahren war Havemann unter an­derem Prorektor für Studentenangelegen­heiten an der Berliner Humboldt-Universi­tät. In dieser Zeit hat er sich mehr mit der Politik als mit der Wissenschaft beschäf­tigt. So war es mir als Physikstudent nicht möglich, einen Platz im physikalisch-che­mischen Praktikum zu bekommen, da Ha­vemann nicht genügend Praktikumsplätze hatte einrichten lassen.
In dieser Zeit wurden andersdenkende Studenten vom Ministerium für Staatssi­cherheit verhaftet und relegiert. So sind unter dem Prorektorat von Havemann im Frühjahr 1953 etliche Studenten, die sich zu einer christlichen Kirche bekannten, von der Universität relegiert worden. Die­se Maßnahme wurde nicht vom Senat oder Rektor veranlasst, sondern im Auftrag des Prorektors von der Freien Deutschen Ju­gend (FDJ) in Massenversammlungen durch Abstimmung beschlossen. Die Stu­denten, die gegen eine Relegierung waren und nicht durch Handzeichen ihr Einver­ständnis kundtaten, wurden in der Ver­sammlung auch sofort relegiert.

In dieser Zeit wurden nach bestandenem Diplom- oder Doktorexamen die Zeugnis­se erst dann ausgehändigt, wenn der Ab­solvent eine gesellschaftswissenschaftliche beziehungsweise eine Philosophieprüfung bestanden hatte. Es handelte sich immer um den dialektischen Materialismus. Es gab Studenten, die ihr fachliches Examen mit sehr guten Noten bestanden hatten, aber niemals ihr Zeugnis erhielten. Jedoch gab es Professoren, die in solchen Fällen dafür sorgten, dass die Absolventen dann ein Zeugnis der Freien Universität Berlin erhielten. Zu diesen Professoren gehörte Havemann nicht. Jedoch ist mir der Name des Professors Grell gut in Erinnerung, der indoktrinäre Erlasse des Professors Have­mann immer gut zu umgehen wußte. Diese Studenten mussten die DDR verlassen, um ihren Beruf ausüben zu können, und sie werden Havemann nicht in guter Erinne­rung haben. Es gab jedoch andere kom­munistische Professoren wie Robert Rom­pe. Dieser hatte sich beim Aufbau der Universitäten nach 1945 und bei der Aus­bildung seiner auch andersdenkenden Stu­denten große Verdienste erworben und war in der Deutschen Akademie der Wis­senschaften (DAdW) leitend tätig, in de­ren Instituten viele Westberliner Wissen­schaftler arbeiteten.
Havemann wurde erst Regimekritiker, als Peter Adolf Thießen - Träger des Gol­denen Parteiabzeichens der Nationalsozia­listischen Deutschen Arbeiterpartei - aus der Sowjetunion zurückkam, wo er ge­meinsam mit Gustav Hertz das Diaphrag­ma für die Abtrennung des Urans 235 ent­wickelt und wesentlich zum Bau der sowje­tischen Atombombe beigetragen hatte. Professor Thießen wurde in die DAdW und in den Staatsrat der DDR gewählt und erhielt ein supermodernes physika­lisch-chemisches Institut in der DAdW in Berlin-Adlershof an der Rudower Chaus­see. Meiner Erinnerung nach war Thießen auch Träger des Lenin-Ordens. Nun verblaßte das wissenschaftliche Image des Robert Havemann im glänzenden Schein Thießens, der im Dritten Reich auch in der Forschung tätig war, während Havemann in Brandenburg inhaftiert und zum Tode verurteilt war. Nun verstand Havemann wohl nicht mehr das kommunistische Sy­stem. Die Äußerung Havemanns, er sei des­halb in Brandenburg nicht hingerichtet worden, weil er für Hitler die Atombombe berechnete, hält einer genaueren Prüfung nicht stand. Erstens kann wohl kaum ein Mann mit Papier und Bleistift diese Rech­nungen durchführen, für die die Amerika­ner einen Elektronenrechner gebaut hat­ten. Zweitens haben die jüngsten For­schungen ergeben, dass die deutschen Atomphysiker nicht die Entwicklung einer Bombe, sondern die Entwicklung eines Meilers betrieben hatten (Mark Walker, „Die Uranmaschine, Mythos und Wirk­lichkeit der deutschen Atombombe", Sied­ler-Verlag). Bei diesen geschichtlichen Forschungen taucht der Name Havemann nirgends auf. Weshalb er in Brandenburg nicht hingerichtet wurde, wird wohl ande­re Gründe gehabt haben, die wie so viele andere Ereignisse der jüngeren Geschichte für immer verschüttet und verborgen blei­ben werden. <<

Soweit der Brief von Dr. Günter Schreiber, der
offensichtlich selbst von Havemanns rigider Auslegung des Stalinismus betroffen gewesen ist. Danach war die Bespitzelung Havemanns - bedenkt man gleichzeitig seine Tätigkeit für den KGB ab 1946 und später als „Geheimer Informator“ (GI, Deckname „Leitz“) der Staatssicherheit - eigentlich eine stasiinterne Angelegenheit, mithin eine Fehde zwischen Bandenmitgliedern. Havemann lieferte bis 1963 bei 62 Treffen mit seinem Führungsoffizier mehr als 140 Einzelinformationen – darunter bei 19 Treffen auch andere Menschen schwer belastende personenbezogene Angaben. Warum also die ständigen und penetranten Anwürfe gegen den vergleichweise harmlosen IM Gysi, wenn der denn überhaupt ein IM war ?


Foto: Treppe im Zuchthaus Bautzen II (Marco Barnebeck, pixelio.de)
Quellen: F.A.Z. vom 22.07.1995 und Wikipedia

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