>>Zu Ihrem Bericht „Prozess gegen Richter des SED-Regimekritikers Havemann" (F.A.Z. vom 13. Juli 1995): In der Vita des Professors Robert Havemann werden die Jahre von 1945 bis 1963 immer sehr gestrafft. In diesen Jahren war Havemann unter anderem Prorektor für Studentenangelegenheiten an der Berliner Humboldt-Universität. In dieser Zeit hat er sich mehr mit der Politik als mit der Wissenschaft beschäftigt. So war es mir als Physikstudent nicht möglich, einen Platz im physikalisch-chemischen Praktikum zu bekommen, da Havemann nicht genügend Praktikumsplätze hatte einrichten lassen.
In dieser Zeit wurden andersdenkende Studenten vom Ministerium für Staatssicherheit verhaftet und relegiert. So sind unter dem Prorektorat von Havemann im Frühjahr 1953 etliche Studenten, die sich zu einer christlichen Kirche bekannten, von der Universität relegiert worden. Diese Maßnahme wurde nicht vom Senat oder Rektor veranlasst, sondern im Auftrag des Prorektors von der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Massenversammlungen durch Abstimmung beschlossen. Die Studenten, die gegen eine Relegierung waren und nicht durch Handzeichen ihr Einverständnis kundtaten, wurden in der Versammlung auch sofort relegiert.
In dieser Zeit wurden nach bestandenem Diplom- oder Doktorexamen die Zeugnisse erst dann ausgehändigt, wenn der Absolvent eine gesellschaftswissenschaftliche beziehungsweise eine Philosophieprüfung bestanden hatte. Es handelte sich immer um den dialektischen Materialismus. Es gab Studenten, die ihr fachliches Examen mit sehr guten Noten bestanden hatten, aber niemals ihr Zeugnis erhielten. Jedoch gab es Professoren, die in solchen Fällen dafür sorgten, dass die Absolventen dann ein Zeugnis der Freien Universität Berlin erhielten. Zu diesen Professoren gehörte Havemann nicht. Jedoch ist mir der Name des Professors Grell gut in Erinnerung, der indoktrinäre Erlasse des Professors Havemann immer gut zu umgehen wußte. Diese Studenten mussten die DDR verlassen, um ihren Beruf ausüben zu können, und sie werden Havemann nicht in guter Erinnerung haben. Es gab jedoch andere kommunistische Professoren wie Robert Rompe. Dieser hatte sich beim Aufbau der Universitäten nach 1945 und bei der Ausbildung seiner auch andersdenkenden Studenten große Verdienste erworben und war in der Deutschen Akademie der Wissenschaften (DAdW) leitend tätig, in deren Instituten viele Westberliner Wissenschaftler arbeiteten.
Havemann wurde erst Regimekritiker, als Peter Adolf Thießen - Träger des Goldenen Parteiabzeichens der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei - aus der Sowjetunion zurückkam, wo er gemeinsam mit Gustav Hertz das Diaphragma für die Abtrennung des Urans 235 entwickelt und wesentlich zum Bau der sowjetischen Atombombe beigetragen hatte. Professor Thießen wurde in die DAdW und in den Staatsrat der DDR gewählt und erhielt ein supermodernes physikalisch-chemisches Institut in der DAdW in Berlin-Adlershof an der Rudower Chaussee. Meiner Erinnerung nach war Thießen auch Träger des Lenin-Ordens. Nun verblaßte das wissenschaftliche Image des Robert Havemann im glänzenden Schein Thießens, der im Dritten Reich auch in der Forschung tätig war, während Havemann in Brandenburg inhaftiert und zum Tode verurteilt war. Nun verstand Havemann wohl nicht mehr das kommunistische System. Die Äußerung Havemanns, er sei deshalb in Brandenburg nicht hingerichtet worden, weil er für Hitler die Atombombe berechnete, hält einer genaueren Prüfung nicht stand. Erstens kann wohl kaum ein Mann mit Papier und Bleistift diese Rechnungen durchführen, für die die Amerikaner einen Elektronenrechner gebaut hatten. Zweitens haben die jüngsten Forschungen ergeben, dass die deutschen Atomphysiker nicht die Entwicklung einer Bombe, sondern die Entwicklung eines Meilers betrieben hatten (Mark Walker, „Die Uranmaschine, Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe", Siedler-Verlag). Bei diesen geschichtlichen Forschungen taucht der Name Havemann nirgends auf. Weshalb er in Brandenburg nicht hingerichtet wurde, wird wohl andere Gründe gehabt haben, die wie so viele andere Ereignisse der jüngeren Geschichte für immer verschüttet und verborgen bleiben werden. <<
Soweit der Brief von Dr. Günter Schreiber, der offensichtlich selbst von Havemanns rigider Auslegung des Stalinismus betroffen gewesen ist. Danach war die Bespitzelung Havemanns - bedenkt man gleichzeitig seine Tätigkeit für den KGB ab 1946 und später als „Geheimer Informator“ (GI, Deckname „Leitz“) der Staatssicherheit - eigentlich eine stasiinterne Angelegenheit, mithin eine Fehde zwischen Bandenmitgliedern. Havemann lieferte bis 1963 bei 62 Treffen mit seinem Führungsoffizier mehr als 140 Einzelinformationen – darunter bei 19 Treffen auch andere Menschen schwer belastende personenbezogene Angaben. Warum also die ständigen und penetranten Anwürfe gegen den vergleichweise harmlosen IM Gysi, wenn der denn überhaupt ein IM war ?
Foto: Treppe im Zuchthaus Bautzen II (Marco Barnebeck, pixelio.de)
Quellen: F.A.Z. vom 22.07.1995 und Wikipedia
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ich freue mich über alle Kommentare. Bitte halten Sie sich aber an die Netiquette - keine rassistischen, sexistischen oder sonstwie diskriminierenden Äußerungen. Auch Militaristen haben hier ausdrücklich kein Forum. Falls Sie der Ansicht sind, ich wäre a. blöd b.hässlich oder c. beides, behalten Sie das bitte für sich. Es interessiert hier niemanden. Versuchen Sie, inhaltlich relevante Kommentare, die die Diskussion zum Thema voran bringen und das Thema erhellen, abzugeben. Ich behalte mir vor, Kommentare zu kürzen oder zu löschen und weise darauf hin, dass die in Kommentaren geäußerten Ansichten nicht unbedingt meinen eigenen entsprechen.