Holden Caulfield, J.D. Salingers tragischer Romanheld aus der Bibel der westlichen Jugendrebellion, dem "Fänger im Roggen", kam nicht und das war schade. Wir hätten uns bestimmt verstanden. Wir - das waren junge Studenten, junge Arbeiter, Lehrlinge und Schüler in der damaligen DDR. Ulrich Plenzdorf hatte seinem Buchhelden Edgar Wibeau den Vorschlag an Holden Caulfield in den Mund gelegt, doch einfach in die DDR rüberzumachen. Dort würde er schon endlich ein paar Freunde finden.
Wir alle litten damals , wie unsere Altersgenossen überall in der Welt, an der Vorherrschaft der alten Säcke, die uns 10 Jahre nach den Beatles und Stones immer noch vorschreiben wollten, welche Hosen wir anzuziehen hätten und vor allem, wie unser Haarschnitt oder unser Bart aussehen müssten. Drei Jahre vor Erscheinen von Plenzdorfs Roman "Die neuen Leiden des jungen W." war ich auf Befehl des Schuldirektors aus der mündlichen Abitur-Prüfung im Fach Biologie geflogen, weil ich zum FDJ-Hemd eine nigelnagelneue Cordjeans aus dem Centrum-Warenhaus am Alex trug. Ich durfte die Prüfung mit mäßigem Erfolg wiederholen, mein Abiturzeugnis war halbwegs versaut. Die Zeit heilt durchaus nicht alle Wunden: Den "Mafia-Harry" - wie wir diesen grandiosen Pädagogen ob seiner Erziehungsmethoden intern nannten - würde ich auch heute noch gern einmal wenigstens anspucken. Nun gut. Wie ich später lernen durfte, wird getretenes Gras erst richtig stark und richtet sich schnell wieder auf. Ich habe trotzdem meinen Weg gemacht.
Jedenfalls könnt Ihr Euch sicher vorstellen, wie wir Plenzdorfs und Salingers Buch verschlungen haben. Salingers Buch gab uns - jedenfalls mir und meinen Kumpels - dabei nicht soviel,aber den Edgar W. haben wir geliebt und vor allem verstanden. Ich bleibe auch deshalb schon seit 20 Jahren bei meiner These, dass die sogenannte Wende 1989 auch und vielleicht vor allem aus einem Generationenkonflikt resultierte und dieser Konflikt bis heute gesellschaftlich nicht gelöst ist. Dem können auch Berufsjugendliche der FDP oder CDU oder gar der SPD nicht abhelfen.
Ulrich Plenzdorf, der Schöpfer des genialen Bühnenstückes "Die neuen Leiden des jungen W.", das im Jahre 1972 in Halle (Saale) seine Uraufführung hatte und 1975 als Romanfassung herauskam, wäre heute 75 Jahre alt geworden. Seine Werke, zu denen auch der Film "Die Legende von Paul und Paula" gehört, haben eine ganze Generation beeinflusst. Er ist leider am 9. August 2007 nach langer, schwerer Krankheit verstorben.
Foto. Platten der Rolling Stones ( naddi Gleim, www.pixelio.de)
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