Erste Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Stadt Bernau nach der diesjährigen Sommerpause: Der Amtschimmel wiehert noch ziemlich müde vom Sonnenbaden und deshalb haben wir nur drei Vorlagen zu beraten. Bevor es allerdings richtig losgeht, händigt man uns berufenen und sachkundigen Bürgern die Kopie eines Schreibens der Kreisverwaltung des Landkreises Barnim aus. Der Dezernent für öffentliche Ordnung (!) stellt darin Ungeheuerliches fest. Die untere Kommumalaufsichtsbehörde hat demnach Kenntnis davon erhalten, dass in einigen Ausschüssen der Kommunen die Praxis besteht, die sachkundigen Einwohner vor der Entscheidung der Gemeindevertreter über Vorlagen und Beschlüsse abstimmen zu lassen.
Damit wird das Meinungsbild der sachkundigen Einwohner regelmäßig vor der Abstimmung der gewählten Vertreter eingeholt. Die vorherige Abstimmung von sachkundigen Einwohnern in den Ausschüssen steht jedoch nicht mit der Kommunalverfassung im Einklang. Das Stimmrecht steht gemäß § 30 Abs. 3 des Brandenburger Kommunalverfassungsgesetzes ausdrücklich nur den gewählten Gemeindevertretern zu. Es handelt sich um -ein individuelles Mitwirkungs- und Mitgestaltungsrecht, das nur von den Gemeindevertretern wahrgenommen werden kann.
Der Gesetzgeber hat gemäß § 43 Abs. 4 des Brandenburger Kommunalverfassungsgesetzes die Möglichkeit vorgesehen, sachkundige Einwohner als beratende Mitglieder in die Ausschüsse zu berufen. Die sachkundigen Einwohner sollen jedoch nur im Vorfeld einer Beschlussfassung durch ihre besonderen Kenntnisse und ihren Sachverstand beratend tätig werden. Eine Vorabstimmung würde faktisch eine Bindungswirkung der vorberatenden Gemeindevertreter bei ihrer Ausschussbeteiligung erzeugen, die der Gesetzgeber nicht gewollt hat. Eine Vorabstimmung hat daher zu unterbleiben.
Soweit der wesentliche Inhalt des Briefes. Gegenüber der "Märkischen Oderzeitung" wies der Kreisdezernet deutlich darauf hin, dass so eine mögliche Beeinflussung der Abgeordneten vermieden werden soll. Lange Rede, kurz zusammen gefasst: Die sachkundigen Einwohner könnten die in den Augen einzelner Dezernenten des Landkreises offensichtlich tumben und törichten, meinungslosen Abgeordneten allein durch ihr Händchenheben dermaßen verwirrren oder beeinflussen, dass die Demokratie auf dem Land bleibenden Schaden erleidet. "Witz komm 'raus, du bist umzingelt", haben wir früher zu solchen offen idiotischen Auslassungen gesagt ! Dass ein Kreisdezernent sich um einen derartigen Kleinkram kümmert, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Auslastung der Kreisverwaltung.
Um die Angelegenheit nun mal wieder auf die Füße zu stellen: Die sachkundigen Bürger haben bisher auch bei uns im Ausschuss vor den gewählten Abgeordneten abgestimmt. Da diese Abstimmung allerdings nicht über Annahme oder Ablehnung einer Vorlage entscheiden kann, handelt es sich dabei lediglich um das Erfassen eines Stimmungsbildes. Damit ist die Kreisverwaltung bzw. das Gesetz nun schon überfordert ?
Es ist immerhin ein Wunder, dass wir noch reden dürfen, denn mit unseren Zungen richten wir berufenen Bürger, die manchmal mehr und vor allem unmittelbaren Kontakt zu den von der Kommunalpolitik Betroffenen in den Gemeinden haben als ein gewählter Gemeindevertreter, doch noch viel mehr Schaden in den Köpfen an, oder ?
"Das haben wir noch nie so gemacht" und "da kann ja jeder kommen" sind zwei der drei Grundregeln des berühmt-berüchtigten deutschen Berufsbeamtentums. Mir fällt da nur noch Willy Brandts geniale Forderung ein: " Mehr Demokratie wagen !" Mal sehen, wieviele Jahrhunderte wir in Deutschland zu deren Verwirklichung noch brauchen. Ein erster Schritt wäre vielleicht, das supertolle Brandenburger Kommunalverfassungsgesetz auf den neuesten Stand zu bringen und unbeschäftigte Kreisdezernenten mit richtiger Arbeit zu versorgen
Foto: Grüße von der Demokratie (Stefan Erdmann, www.pixelio.de)
Hallo Frank,
AntwortenLöschensagte ich es dir nicht schon: kommunalpolitik macht spasss. mit dieser von dir so geschilderten praxis steht ihr aber nicht allein da. wi mäkelbörger mokt dat ook so.
ich denk in allen anderen bundesländern wird auch so verfahren.
tipp: stimmt nicht ab sondern bildet euch eine meinung und gebt sie über einen sprecher bekannt. das erfüllt dann nicht das gerügte vorabstimmungsverfahren und der dezernent hat was zu überlegen - abstimmen tut ihr ja dann nicht mehr und meinungsfreiheit habt ihr doch nach grundgesetz oder????