Unsere Lokalzeitung hatte im Dezember des vergangenen Jahres einen Kulturwettbewerb ins Leben gerufen. Die Leser sollten ihrer Fantasie freien Lauf lassen und der Zeitung mitteilen, wie sie sich ihre Heimatstadt Bernau in der Zukunft vorstellen. Ich habe eher unterbewußt meine üppige Vorstellungskraft wuchern lassen und heraus kam folgende kleine Geschichte, die ich neulich Nacht träumte: „ 25 Jahre später in Bernau. Bürgermeister Hubert H. ist endlich zum Bürgermeister auf Lebenszeit gewählt worden. Er erhielt 50,12 Prozent aller abgegebenen Stimmen, die Wahlbeteiligung betrug sagenhafte 3,3 Prozent. Aus Anlass dieser Wahl finden dreiwöchige Festlichkeiten statt. Höhepunkt ist die Einweihung des Reiterstandbildes von Hubert H. auf dem Bernauer Marktplatz. Das Denkmal ist neun Meter hoch. Den Sockel zieren Abbildungen seiner Mitstreiter aus Blockparteizeiten und aus den harten Aufbaujahren nach der Wende im Jahre 1989. Erste Kritik kam allerdings hoch, da die Figuren seiner intimsten Freunde Adelheid R. (SPD) und des CDU-Berufsjugendlichen Rainer K. aus Schönow unter dem Schweif des Pferdes angeordnet sind. Dieses lässt allerdings nach Verlautbarungen der Stadtverwaltungs- Funktionärin für Agitation und Propaganda auf Lebenzeit, Eva-Maria R., lediglich Bosheit des Bildhauers vermuten und liegt nicht etwa daran, dass sich die Stadtverwaltung noch immer nicht mit den im Jahre 2003 zwangseingemeindeten Dörfern beschäftigt.
Wichtigstes Touristenziel der Stadt ist zur Zeit allerdings nicht das Reiterstandbild, sondern das bereits 2025 eingeweihte Denkmal für die Toten der Bundeswehr in Afghanistan. Bernau ist stolz auf die 12.574 gefallenen Bernauer, die in Afghanistan für unsere Freiheit kämpften und ihr Leben liessen.
Was ist noch in den letzten 25 Jahren in Bernau passiert? In der Innenstadt wurden bereits im Jahre 2015 sämtliche Bordsteine vergoldet, nachdem ein Brunnen aufgestellt und alle Stadttore wiederhergestellt waren. Durch einen Planungsfehler beim Wiederaufbau der Stadttore brannte im Jahre 2012 die Innenstadt allerdings fast vollständig ab, da die Feuerwehr mit ihren Löschfahrzeugen die neuen Stadttore nicht passieren konnte. Man hatte vergessen, dass im 19. Jahrhundert der Abriss der Stadttore vor allem deshalb erfolgt war, weil sie ein Verkehrshindernis darstellten. Die durch den Großbrand gewonnene Baufreiheit nutzte die Firma Fritzflink für den Bau eines gigantischen Einkaufszentrums, das nur durch die ehemalige Stadtmauer begrenzt wird. Dadurch konnte fast die gesamte ehemalige Innenstadt überdacht werden. Leider hält sich das Einkaufszentrum nur mit Hilfe von Subventionen der Landesregierung, denn die Menschen sind zur Naturalwirtschaft zurückgekehrt. Dafür sorgte u. a. die letzte Mehrwertsteuererhöhung auf 96 Prozent, von der natürlich auch die Stadt profitiert. Von irgendwoher musste ja das Geld für den Hubert auf dem Pferd kommen.
Auch sonst ist der Rückbau der Stadt mit Blick ins Mittelalter weiter vorangekommen. Der Ausbau der Kanalisation – vor allem in den Randgemeinden – war schon 2004 eingestellt worden. Man lässt also die Jauche nach wie vor in die Gegend laufen. Das ist so schön romantisch wie A.D. 1450. Auch auf den Bau von Bürgersteigen und Straßen wird seit langem verzichtet. In der Innenstadt sind Bürgersteige ja nun auch nicht mehr nötig.
Es gibt sogar noch Wald. Die Bäume, die im Zuge der Verknappung von Erdöl und Gas noch nicht abgeholzt sind, haben den Status von Naturdenkmälern bekommen und sind entsprechend mit Schildern gekennzeichnet. Allerdings nützen die Schilder nicht viel, da die Polizei von Innenminister Schönbohm schon im Jahre 2011 aus Kostengründen aufgelöst und abgeschafft wurde. Gleiches geschah mit den Ordnungsämtern."
Es war am frühen Morgen gegen 3:30 Uhr, als ich aus diesem Albtraum erwachte. Leider hatte ich den Traum beim Erwachen nicht vergessen! Nach einiger Überlegung wurde mir klar, dass es eines Tages in Bernau und anderswo durchaus so aussehen könnte...
Foto: Herbstliche Stadtmauer in Bernau (C. Telker, pixelio.de)
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