Mittwoch, 4. Februar 2015

Politiker können und wissen alles

"Unsere parlamentarische Demokratie funktioniert ja tatsächlich nicht entfernt so, wie sie sich nach außen darstellt. Ein Ausschuss lädt also keineswegs Personen als Sachverständige, weil seine Mitglieder meinen, selbst nicht über genügend Sachkunde zu verfügen. Das würde ja voraussetzen, dass die Ausschussmitglieder mangelnde Sachkenntnis zugeben. Dieser Mangel erscheint einem deutschen Parteipolitiker zwar beim jeweiligen Gegner als zwingend, niemals aber denkbar bei sich selbst. Ein Abgeordneter, der in Reichweite eines Mikrofons einräumt, von einem beliebigen Thema dieser Welt nach einem Monat Einarbeitungszeit immer noch nicht praktisch alles zu verstehen, müsste sich als "bunter Hund" behandeln und von der sachverständigen Boulevardpresse als "Deutschlands dümmster Abgeordneter" feiern lassen.

Der Bundestagspräsident ist verzweifelt
Abgeordnete des Deutschen Bundestags (übrigens auch der Landesparlamente) wissen daher im Zweifel alles über alles. Notfalls lassen sie es "bis morgen raussuchen". Der Augenblick, in welchem der Wähler entschieden hat, dass der Kandidat X auf der Landesliste Y noch ins Parlament gerutscht ist, ist der Moment eines wundersamen Erblühens von Erdkundelehrern zu Rüstungsexperten, Rechtsanwältinnen zu Gelehrtinnen und Diplomingenieuren zu Weltökonomen.
Anders gesagt: Weder die Abgeordneten noch die Fraktionen benötigen – aus ihrer subjektiven Sicht – eigentlich sachverständige Beratung und Hilfe, um sich irgendetwas bisher nicht Verstandenes erklären zu lassen. Vielmehr muss der jeweils erwählte Sachverständige davon ausgehen, dass allen Mitgliedern des Ausschusses, vor dem er erscheinen darf, alles Wesentliche bereits geläufig ist." schreibt Bundesrichter Thomas Fischer in der "Zeit" über seinen Einsatz als Sachverständiger im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestags zum Artikel 36 der "Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt". Fischer vertrat in dem Ausschuss die Minderheitenmeinung, dass nämlich  unsere bestehenden Gesetze durchaus ausreichen.

Und weiter: "Vorne sitzt der oder die Vorsitzende des Ausschusses. Er oder sie steuert die Stimmung, wie der Strafkammervorsitzende am Landgericht, redet dazwischen, macht Witze, wie und wann er/sie will. Im wirklichen Leben war sie oder er in der Regel Rechtsanwalt. Ihr Leben besteht seit dreißig Jahren aus Gremiensitzungen und der Taktik ihrer Beherrschung. Von der objektiven, aufmerksamen, sensiblen, chancengleichen Leitung einer großen kontroversen Sitzung hat er oder sie durchweg wenig Ahnung, die meisten Vorsitzenden von Kammern am Landgericht oder Verwaltungsgericht könnten es besser. Zum Ausgleich hat er oder sie jenes innere Leuchten, jene Gewissheit, die einzig der puren Macht entspringt: Wir können alles!, lautet die Botschaft."

Wem so richtig der Tag verhagelt werden soll, muss sich Fischers Kolumne bis zum Ende antun. Sie ist wie so viele Insider-Berichte absolut desillusionierend.  Besonders der Absatz über einen meiner erklärten Lieblinge im Berliner Politikzirkus, die etwas grünlich angeschimmelte, eigentlich persönlich und beruflich gescheiterte Renate Künast, sorgt vordergründig für Heiterkeit. Hintergründig werden allerdings dann bald die Spucktüten knapp. 

Wenn der Leser sich nach der Lektüre dann im Baumarkt eine spitze Mistforke kauft, ist das durchaus nicht die Schuld des Autors oder gar beabsichtigt...

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