Freitag, 24. Oktober 2014

Schilda baut ein zweites Rathaus

Schilda ist überall. Schilda ist überall in Bernau. Wie oft habe ich mich hier im Blog schon mit den Fehlleistungen vermeintlich kluger Ratsherren (und -damen) und ihrer Bürgermeister beschäftigen müssen. Nun drohen uns Bürgerinnen und Bürgern neues Ungemach und ein Millionenloch im Budget: Ein zweites Rathaus soll her. Denn die Stadtverwaltung ist auf mehrere Standorte in der Stadt verteilt und das kann natürlich nicht so bleiben. Schließlich gibt es nichts Schöneres für einen Chef, als sich morgens mit der Stoppuhr an die Rathaustür zu stellen und die pünktliche Ankunft jedes einzelnen Mitarbeiters zu überwachen.

So ist es auch kein Wunder, dass die Planungen für ein neues Rathaus vom ehemaligen Bürgermeister, einem fürchterlichen Kontroll-Freak, ausgingen. Und daher ist es auch kein Wunder, dass als Standort für das neue Rathaus wohl von vornherein das Gelände/Gebäude der ehemaligen Staatsbank der DDR - später Deutsche Bank - in der Bürgermeisterstraße 25, direkt gegenüber und in Rufweite des alten Rathauses, mit festem Blick auf Bürgermeisters Arbeitszimmer, fest stand.

Die Historie des neuen Rathauses mutet wie ein Lehrstück für Fehlplanungen und Fehlleistungen einer Stadtverwaltung an: Im Jahre 2002 wird das alte, durchaus anspruchsvolle Gebäude mit einem Verkehrswert von 480 000 Euro zunächst zwangsversteigert. Zwischen neuem Eigentümer und Stadtverwaltung schließt man im  Dezember 2007 einen Kaufvertrag für die Immobile Bürgermeisterstraße 25 ohne festen Kaufpreis ab. Dieser Kaufpreis soll zum Zeitpunkt des Eigentumsüberganges am 31.12.2010 ermittelt werden. Die Kosten für einen Umbau zum Verwaltungsgebäude werden damals auf gut 1,5 Millionen Euro geschätzt. 

Zum genannten Zeitpunkt am 31.10.2010 ergibt sich ein  Verkehrswert und damit Kaufpreis in Höhe von 1,35 Millionen Euro.  Für den Grundstückserwerb gibt es 502.000 Euro Fördermittel, die laut Auskunft des ehemaligen Bürgermeisters Handke vom November 2012 bei Abriss zurückgezahlt werden müssen. 

Diese "Wertsteigerung" des Gebäudes und die Dummheit des Bürgermeisters rufen das ZDF auf den Plan, das Handke zu seiner Unfähigkeit, Kaufpreise verbindlich zu vereinbaren, befragen will. Der Bürgermeister empfängt das ZDF-Team natürlich nicht. Auch die Berliner Presse berichtet über Schilda Bernau. Gerüchteweise geistert  seit dem Kauf zudem die durchaus glaubhafte Geschichte durch die Stadt, dass die Stadtverwaltung die Kaufsumme zu spät zahlt, dadurch wird ein wichtiger Punkt des Kaufvertrages nicht erfüllt. Man darf noch ein Vierteljahr länger Miete zahlen, bevor das Kaufobjekt endlich in städtisches Eigentum übergeht. Sind ja nur unsere Steuergelder und die müssen weg. Sonst schimmeln sie.

 Im April 2011 stellt man  dann zwei Varianten vor: Um- und Ausbau 4,362 Millionen , Abriss und Neubau 5,992 Millionen. Ein erster Architekturwettbewerb im  Juni 2011 zum Umbau des Gebäudes für das neue Rathaus endet ergebnislos auf Grund der miesen Qualität der Entwürfe und weil man im alten Rathaus offenbar bereits mit dem Neubau liebäugelt.

Im Jahre 2012: Neue Standortdiskussionen in der Stadtverordnetenversammlung, als mögliche Standorte stehen die Johanna-Schule in der Mühlenstraße oder ein Neubau am Ladeburger Dreieck zur Diskussion. Wohlbemerkt: Das Gebäude Bürgermeisterstraße hatte man nun schon gekauft, jetzt also erneute Standortdiskussion! Tenor war "Der Standort Bürgermeisterstraße 25 ist durch die gelaufene Debatte um den Ankauf belastet.“
  
Im Jahr 2013: Workshop zu Standorten Bürgermeisterstraße 25 und Ladeburger Dreieck unter dem Aspekt des Neubaus.  Kostenschätzung Bürgermeisterstraße 25 für Neubau 8,6 Millionen Euro, für Ladeburger Dreieck 9,2 Millonen Euro.
Im November 2013  beschließen die Stadtverordneten den Standort Bürgermeisterstraße 25 als zukünftigen Standort für das Rathaus II. 

Im  Jahre 2014: Auslobung des zweiten Wettbewerbs für Neubau am Standort Bürgermeisterstraße 25.
Mitte Oktober 2014: "Die Entscheidung für den Siegerentwurf für das neue Bernauer Rathaus ist nach einem Wettbewerb entsprechend der europaweiten Ausschreibung gefallen. Beteiligt waren insgesamt 15 Architekturbüros aus Österreich, Frankreich und Deutschland. Sie sollten ein Entwurfskonzept erarbeiten, welches laut Ausschreibungsunterlagen "auf die sensible städtebauliche Situation im Spannungsfeld zwischen Markt und Kirchplatz reagiert, wo denkmalgeschützte Einzelbauten früherer Jahrhunderte im Kontrast zur industriellen Bauweise der 1970er und 1980er Jahre stehen und das gleichzeitig der Bedeutung des Neuen Rathauses im Zentrum der Stadt Bernau gerecht wird". " schreibt die "Märkische Oderzeitung" am 17. Oktober diesen Jahres. Aktuell betragen die geschätzten Baukosten nun lächerliche 10 Millionen Euro + eine halbe Millionen Euro an Fördergeldern (siehe oben), die bei Abriß des alten Gebäudes zurück zu zahlen sind.

Zum Ergebnis ist nicht viel zu sagen. Der "Focus" schrieb vor etwa einem Jahr über verpasste Chancen bei der Gestaltung weiter Bereiche der Berliner Innenstadt und meinte nicht nur die geplante einfallslose Replika des mittelalterlichen Stadtschlosses. Nun hat der Focus sicher nicht immer recht - allerdings decken sich die Fakten in dem erwähnten Artikel über Berliner Architektur mit meinem Eindruck. In der Tat hat man bei den Neubauten in Berlins City nur noch die Auswahl zwischen einem einzigen Gebäudetyp in wechselnden Farben - braun, dunkelbraun, schwarz, etwas heller - mit Schießscharten anstelle von Fenstern. Besonders schlimme Beispiele für diese Art von einheitlichen Wiederverwendungsobjekten sind gerade am Entstehen: Die neue Stasizentrale BND-Zentrale in der Invalidenstraße und das neue Gebäude des Bundesinnenministerium, direkt am S-Bahnbogen zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof zu besichtigen. 
 
Der helle Einheitstyp mit den Schießscharten soll es nun in Bernau sein. Das Ergebnis des zweiten Architekturwettbewerbes unterscheidet sich damit kaum vom ersten. Offensichtlich hat man als Architekturbüro ein derartiges Typenprojekt immer in der Schublade, damit man es unbedarften Provinzlern als Nonplusultra der Architekturgeschichte verkaufen kann.

GG-Berlin  / pixelio.de
"Das Ding ist äußerlich einfallslos und hat keinen Wiedererkennungswert, da es mittlerweile nur gewöhnlich ist. Es ist nicht markant und könnte an jeder beliebigen Straßenecke stehen, mal mit zwei Etagen mehr oder mal mit einer weniger. Der typische Kleinstadt-Charakter wird durch die Höhe zusätzlich zerstört, es ist ein Stilbruch, weil unsere Vorfahren die Stadt vor wenigen Jahrzehnten so gestalteten , dass die neuen Häuser die historische Stadtmauer nicht überragten und zur Stadt-Mitte aber harmonisch wuchsen, jedoch die vorhandenen alten historischen Gebäudehöhen nicht überschritten wurden. Den Entwurf sehe ich deshalb als Gigantismus an.  Durch die überragende Höhe des Rathauses wird symbolisiert, dass die Verwaltung weit über den Bürgern steht, so wie beim Symbol Kirchenbau. Architektur ist nun mal Spiegelbild der Realität. Es ist richtig, dass man die“ Schießscharten-Architektur“ in jeder größeren Stadt schon seit Jahren praktiziert, jedoch für Bernau relativ neu, wenn man von den letzten neuen modernisierten Plattenbauten-Fassaden der Innenstadt mit den schmucklosen Fensterlöchern absieht." schreibt denn auch der enttäuschte Bernauer Jürgen Bürger in der Online-Kommentarspalte zum oben genannten Artikel.


Bernau stellt heute - architektonisch gesehen - ein einzigartiges Konglomerat dar. Mit dem nun angenommenen Entwurf für das neue Rathaus haben die Ratsherren und - damen erneut eine Chance verpasst, die Stadt als interessantes Flächendenkmal für Architektur des Mittelalters, der Gründerzeit, der DDR-Ära und der modernen Architektur zu repräsentieren und -was noch wichtiger ist - zu vermarkten. Sie haben einfach (noch) nichts begriffen.

Besonders boshafte Menschen "freuen" sich übrigens schon heute  mit gebührendem Sarkasmus auf das unweigerlich stattfindende Tohuwabohu (= Durcheinander) , wenn  der Abriß des alten Gebäudes beginnt und die Laster mit dem Bauschutt nicht durch den Neubau des nutzlosen, zu engen Mühlentors passen. Vielleicht hilft ja Vaseline.

Allerdings muss man gerade als Bernauer durchaus froh sein, dass der geplante Neubau wenigstens Schießscharten hat. In Schilda hatten sie die Fenster gleich ganz vergessen und dann den lieben langen Tag damit zu tun, das Licht mit Säcken und Eimern einzufangen und es in das neue Rathaus zu tragen. Nicht ganz undenkbar in Bernau...














Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Dieter Sauer, Bernau, für die akribische Zusammenstellung des zeitlichen Ablaufs der Fehlplanungen zum Rathaus II.

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