Mittwoch, 24. September 2014

Statistiken aus einem traurigen Land

"Ein Drittel der Bevölkerung geht nicht mehr wählen. Warum soll ein Hartz IV-Empfänger wählen gehen? Fragen Sie ihn mal, was ihm lieber ist: Schwarz-Rot, Schwarz-Grün, Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Rot-Gelb? Da sagt der: Wollen Sie mir Scheiße in verschiedenen Geschmacksrichtungen anbieten?" meinte der Kabarettist Volker Pispers nach der letzten Bundestagswahl 2013, bei der rund 30 Prozent der Wahlberechtigten erst gar nicht hin gingen.

Vor und nach der Wahl (Renate Kalloch  / pixelio.de)
Ich habe das für Brandenburg mal nachgerechnet. Nun ist das Ausgangsmaterial für eine ordentliche statistische Rechnung nicht gerade vertrauenserweckend. So gibt die offizielle Arbeitslosenzahl ja nicht etwa die Zahl der richtig Arbeitslosen - also der Menschen ohne  Beschäftigungsverhältnis - an. Ab einem Alter von 58 kommt keiner mehr in die Arbeitslosenstatistik. Auch die Miriaden von Menschen, die gerade in einer Schulung stecken, zählen nicht. Oder die Aufstocker, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel  für ihre Arbeitskraft auf dem Markt erlösen und bis zum Hartz IV-Obolus vom Arbeitsamt "aufgestockt" erhalten, tauchen da nicht auf. Mit anderen, etwas ordinären Worten: Die ganze Statistik ist geschwindelt.

Trotzdem kann man mal eine Rechnung aufmachen: Es gibt in Brandenburg 2.065.944 Wahlberechtigte und per August 119.522 statistisch gemeldete Arbeitslose. Dazu kommen 253.000 Hartz IV-Empfänger. Sind summasummarum 372.522 statistische Arbeitslose allein in Brandenburg. Mit Familienangehörigen müssen also vorsichtig geschätzt und abgerundet 500.000 Menschen allein in Brandenburg von Sozialleistungen leben und sich bei jedem "Besuch" im  Amt wie der letzte Arsch behandeln und sogar noch als "Kunden" verhöhnen lassen. (Ich weiß, wovon ich rede)

Bleiben 1,6 Millionen  Wähler übrig, das entspräche einer theoretischen Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl von 76,1 Prozent. Berücksichtigt man Rundungsfehler, Standardabweichung und die Heisenbergsche Unschärferelation sowie den dritten Hauptsatz der Thermodynamik - so in etwa rechnen wahrscheinlich die Arbeitsämter- kommt man nahe an die tatsächliche Wahlbeteiligung von 68,4 Prozent. Statistisch gesehen ein ausgezeichnetes Rechenergebnis, das uns vor allem beweist: Der Pispers hat Recht!

Leben wir nicht in einem traurigen Land? In einem Land, in dem Kabarettisten den Politikern die Arbeit machen müssen...

P.S.: Irgendeine statistische Unschärfe muss aber bei der ganzen Rechnerei  doch noch nicht berücksichtigt sein! Woher kommt es sonst, dass zur Landtagswahl am 14. September nur noch 47,9 Prozent der Brandenburger Wahlberechtigten wählen gingen und die Brandenburger SPD immer noch der Ansicht ist, sie hätte haushoch gewonnen?

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