Dienstag, 13. September 2011

Aus einem Landkreis am Rande der Dritten Welt

Unser Sohn ist auf der Durchreise und will tatsächlich im Dorf am Geldautomaten der Sparkasse mit seiner Kreditkarte Geld abheben. Ich frage ihn, bei welcher Bank er ist. Natürlich bei einer Direktbank. Daraufhin muss ich ihm abraten, denn unser großer Kreissparkassenchef Josef K. hat schon vor Jahren die Geldautomaten seines Instituts für abtrünnige Direktbankkunden sperren lassen. Natürlich diente das nur dem Wettbewerb und Josef K. musste anschließend zusätzliche Mitarbeiter einstellen, weil alle verprellten Direktbank-Kunden sich nun wegen einer Kreditkarte bei der Sparkasse Barnim anstellten. Oder etwa nicht? Was würdet Ihr/Sie machen, wenn Euch/Ihnen eine Sparkasse so ins Gesicht spuckt? Richtig, ich meide den Laden jedenfalls wie der Teufel das Weihwasser - was der etwas evangelikale Josef wahrscheinlich erreichen wollte - und selbst wenn der neue Chef dieses Instituts mir ein gut gefülltes Sonderkonto einrichten würde, bliebe ich bei meiner Direktbank. Aber es wird schon alles so bleiben, wie es ist: Auch wenn man überall in der Welt mit meiner Kreditkarte Geld abheben kann - nicht im Barnim. Basta.

Geld ist also nicht und so unterhalten sich Sohnemann und ich über die Merkmale einer Diktatur in der dritten Welt. Dazu gehören ja in der Regel eine Junta, die sich nicht an Recht und Gesetz oder Richtersprüche hält, eine willfährige Presse, hohe Arbeitslosigkeit, Rentner- und Kinderarmut, eine schlechte Infrastruktur, einseitige Bevorzugung der eigenen Oligarchie oder der staatseigenen Unternehmen und Banken, gar keine oder manipulierte oder von Staats wegen beeinflusste Wahlen, Abhängigkeit von Entwicklungshilfe und Ausplünderung der breiten Massen durch niedrige Löhne und hohe Steuern. Um nur einige Merkmale zu nennen.

Und dann denken wir an den Barnimer Landrat, der nicht gewählt, sondern ausgelost wurde. Für den eine Geschäftsordnung mehr wert ist als ein Urteil des Landesverfassungsgerichts. An die albernen Provinzzeitungen, die kaum, falsch oder nur gezwungenermaßen über oppositionelle Bürgerbewegungen und deren Kandidaten berichten. An die Nationale Front im Kreistag aus CDU, FDP und Linken unter Führung der SPD. Wir denken über eine herunter manipulierte Arbeitslosenquote von 12 Prozent und Hartz IV sowie die Rentenlücke durch hohe Arbeitslosigkeit nach der Wende nach. Oder an die steigende Zahl richtig armer Kinder. An das flächenweit fehlende Internet als Standortnachteil für Familien und Unternehmen. An die Geldautomaten, die nur Kreditkarten eines einheimischen Geldinstituts akzeptieren. An die Wahnsinnsgebühren für Wasser- und Abwasser, für die diversen Anschlüsse und den Straßenbau auf Kosten der Anwohner. An das ausgedünnte Bahn-und Busnetz mit den hohen Fahrpreisen, das die Menschen von den Auto- und Ölkonzernen abhängig macht. An die Mauscheleien im Vergaberecht, bei denen durch die Bürgermeister komischerweise immer nur die selben Unternehmen bedient werden. Auch die Trickserei eines Bürgermeisters (SPD) bei den vergangenen Wahlen im Verein mit der Kreisverwaltung (SPD) fällt uns ein. Und der Länderfinanzausgleich und die Kopfzuweisungen an die Kommunen, weil die sich nicht selbst erhalten können. Oder die all Zeit gierigen Finanzämter, die junge Unternehmen lieber kaputt machen, anstatt auf ein paar Pimperlinge zu verzichten. Vom auch nach 21 Jahren Wiedervereinigung noch existierenden Lohn- , Gehalts- und Rentenunterschieden zwischen Ost und West schweigen wir lieber.

Diktatur in der dritten Welt? Bananenrepublik ? Nein, Landkreis Barnim im Bundesland Brandenburg. Eigentlich müsste die NATO intervenieren. Vielleicht, wenn sie in Libyen fertig ist?

Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

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