Samstag, 7. Mai 2016

Vom Regen in die Jauche

Unter den Pädagogen der DDR ging 1969 ein Witz über ihre oberste Dienstherrin um. Und zwar wurde damals anlässlich des 20. Geburtstages der Republik der Berliner Alexanderplatz umgestaltet, unter anderem das "Haus des Lehrers" gebaut und dazu der gesamte Alex aufgerissen. Der Witz ging nun so: "Warum ist hat man um das Haus des Lehrers herum so eine tiefe Baugrube gebuddelt? Nun, man sucht das Lehrerdiplom von Margot Honecker. "

Tatsächlich war Margot, die First Lady der DDR, mit höchstem Abschluss "nur" Pionierleiterin. (Ich habe ganz liebe und nette, aber nach der Wende ausschließlich ekelhafte Pionierleiterinnen erlebt). Allerdings umgab sie sich offenbar mit Fachleuten, die aus dem Neuanfang 1945 -  im Gegensatz zur BRD in der DDR  ohne Nazi-Lehrer - wirklich einen Neuanfang machten und ein weltweit anerkanntes Bildungssystem mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften schufen. Wie wir dann nach der Wende feststellen mussten, war dieses  Volksbildungssystem dem westdeutschen haushoch überlegen, da es sich unter anderem auch an fortschrittlichen Konzepten aus Westeuropa orientierte. Auch alle anderen Vorwürfe gegen Margot Honecker gehen ins Leere, vergleicht man die heutige militaristische Entwicklung in der BRD zum Beispiel mit dem albernen Honeckerschen Wehrkundeunterricht, an dem sich damals vor allem die Kirchen aufspulten.

Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich seit Jahren immer öfter und mehr an aggressiven NATO-Einsätzen, z.B. sollen jetzt deutsche Soldaten wieder an die russische Grenze vorrücken. Die Bundeswehr wirbt inzwischen unverhohlen an den Schulen für diese Söldnerarmee. Natürlich ist das alles nicht so schlimm wie Wehrkunde an der Schule (Ironie aus) . Aber: Wo sind eigentlich die Proteste der Kirchen? Nebenbei: Die Nationale Volksarmee der DDR war die einzige deutsche Armee, die niemals Krieg geführt hat.

Auch die der DDR-Schule immer wieder vorgeworfene Indoktrination der Schüler war eher harmlos im Vergleich zu heute. Man konnte sich damals immerhin noch eine andere Meinung im Westfernsehen ansehen. An welchem Westfernsehen soll man sich als junger Mensch in diesem Land heute orientieren, wo eh alles gleich geschaltet ist? Wo indoktrinierte Schüler es schaffen, dem Bäcker, der ihre Schule beliefert, die Aufträge entziehen zu lassen, nur weil dieser angebliche Nazi Sympathien für eine demokratische und zugelassene  Partei, die AfD, bekundet hat. Oder wo andere Jugendliche, die das vorgeblich demokratische Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland durchlaufen haben, Demokratie und Meinungsfreiheit eigentlich mit Löffel gefressen haben müssten,  im Internet ungestraft davon schwafeln, man müsse jetzt nur noch die 2000 Teilnehmer am Stuttgarter AfD-Parteitag BESEITIGEN, dann würde endlich wieder Ruhe in Deutschland einkehren.

Wie gesagt, wir konnten uns in den Westmedien immerhin noch eine andere Meinung anhören. Es war ja nicht immer einfach in Margots Schule. Allerdings konnte man lernen, wenn man wollte. Man musste auch  nicht seinen Namen tanzen lernen oder irgendwelchen Genderquatsch verinnerlichen. Das Wichtigste in dieser Schule war Faktenwissen und das erkennen von Zusammenhängen.
Chemie abgewählt. Toll! (Tim Reckmann  / pixelio.de)
Insofern mochte ich auch meinen Staatsbürgerkundeunterricht niemals missen. Man konnte da tatsächlich Denken lernen. Die eigentlich marxistisch-leninistischen Philosophen  der Berliner Humboldt-Universität waren dann auch dermaßen staatskritisch gegenüber dem real existierenden Sozialismus der DDR, dass sie permanent von der Stasi beobachtet wurden.

Alles andere vergisst man als pubertierender junger Mensch sowieso bzw. war auch im Westen nicht anders.Wer beschreibt zum Beispiel mein Erstaunen, als mir meine Brieffreundin aus Hannover im Jahre 1968 von ganz ähnlichen und vor allem ständigen  Drangsalierereien wegen Jeans und langen Haaren an ihrer westdeutschen Schule berichtete, wie wir sie an Margots sozialistischer Schule erleben durften.

Nun ist Margot Honecker 89-jährig im Exil in Chile verstorben. Mitnichten allein und vergessen, wie das Zentralorgan der vereinigten deutschen Blockpartei CDUCSUSPDGRÜNELINKE, der "Spiegel" ihr heute hinterher schmiert. Und sie war auch nicht starrsinnig wie der "Spiegel" behauptet, sie hatte im November vergangenen Jahres der "jungen welt" ein Interview gegeben, in dem sie die Fehler der DDR-Staatsriege offen eingestanden hat. Nur leider kamen diese Einsichten zu spät.  Die Chance, etwas Vernünftiges aus der DDR zu machen, hat Margot H. an führender Stelle vergeigt.

Unser Vorteil ist heute, dass wir vergleichen können. Und mein ganz persönliches Fazit aus diesem Vergleich lautet: Wir sind - nicht nur ausbildungsmäßig, aber auf diesem Gebiet vor allem - vom Regen in  die Jauche gekommen. Meinen Enkeln wünsche ich daher eine ähnliche Schulbildung, wie ich sie in der DDR genießen konnte. Vielleicht auch mit einem Staatsbürgerkundelehrer wie unserem Herrn Streuffert, einem alten Arbeitersportler. Einem Lehrer, an dem man sich reiben konnte, der aber immer wusste, wo sein Platz war. Jedenfalls niemals auf der Seite der heutigen Blockparteien und ihrer Systemmedien...  

2 Kommentare:

  1. Bravo! Ich habe auch an die meisten meiner Stabü-Lehrer eine gute Erinnerung. Wir haben dialektisches Denken gelernt. Meine Arbeitskollegen, als ich in RP lebte und in Mannheim arbeiten ging, schauten mich mit großen Augen an, dass ich Philosophie in meiner zehnklassigen Schule hatte und wir im philosophischen Denken geschult waren. Realschüler dort - Fehlanzeige. Und leider nein. Ihre Enkel - so wie meine - erhalten eine schlechte Bildung und werden auch keine bessere erhalten. Sie werden indoktriniert, weil dumme Schüler gute Staatsbürger werden, denen man die Feindbilder frei Haus liefern kann, ohne dass sie aufmucken. Hoffentlich gibt es bald eine wirksame Gegenbewegung.

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  2. Nichts zu zusetzen, doc. Mich haben die Schmierereien der dpa auch sehr geaergert. Doch dann dachte ich an abi 1961und die notabiture 2016 und wusste, dass wir alten Leute eine sehr viel fundierter e Ausbildung hatten. Und von wegen freie Meinungsäußerung heute. Da bekommt der Abiturient eine glatte 4 und schlechter, wenn er die NATO kritisiert. Und vor allem die Privatschulen - jeder kommt bis zum Abi - irgendwie mit getanztem Namen,
    Hauptsache , die Rechnungen werden bezahlt.

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