Freitag, 13. November 2015

Tschüssikowski und das Granteln

Seit etwa 25 Jahren "grantele" ich Nordostdeutscher über die zunehmende Versüdlichung der deutschen Sprache. Zum Beispiel trifft man  sich "an" Weihnachten unter dem "Christbaum" und gleichzeitig "hat es" "heuer" keinen Schnee. Der Fleischer ist zum "Metzger" mutiert, die Berliner Schrippe heißt hier jetzt "Wecken" und der Schwabe soll angeblich deutsch sprechen.

Sprachen (Rike, pixelio.de)

Allerdings beobachte ich schon geraume Zeit ein verheißungsvolles sprachliches Auflodern des Norddeutschen am Horizont. Verbayerung und Verschwabung haben ein Ende. Während man nämlich vor einigen Jahren als Norddeutscher bei seinen Gesprächspartnern aus dem Süden Deutschlands mit dem freundlichen Abschiedsgruß  "Tschüß !" noch auf völliges Unverständnis stieß, hat sich dieses kleine Wörtchen inzwischen offenbar deutschlandweit durchgesetzt. So war ich auch heute morgen ziemlich baff, als sich meine nette Gesprächspartnerin aus Bayern am Telefon als erste mit "Tschüß !" verabschiedete. Na also, geht doch!

"Tschüß !" stammt übrigens höchstwahrscheinlich vom französischen "Adieu" ("Mit Gott!"), das die nach Norddeutschland eingewanderten Hugenotten mitbrachten. Im Berliner Raum wurde daraus "Adtschö!", dann  "Tschö!"  und schließlich "Tschüß!".

An die in meiner Jugendzeit gebräuchlichen Vorvarianten "Adtschö!" und "Tschö!"  kann mich mich noch gut erinnern. Was mich mit etwas Wehmut daran denken lässt, dass ich doch kein Sprachwissenschaftler geworden bin, wie ich es ursprünglich vor hatte. Aber dann hätte ich meine liebe M. vielleicht niemals kennengelernt. Obwohl es wahrscheinlich für jeden Topf nur einen genau richtigen Deckel gibt, sie mir dann sicher im zentralen Studentenklub der Humboldt-Uni begegnet und unsere zweifellos vorbestimmte Liebesgeschichte damit wieder in Ordnung gekommen wäre. Und auch mit der Sprachwissenschaft ist es noch nicht zu spät: In zwei Jahren beginnt das dritte Leben und da werden die liegen gebliebenen Bücher konsumiert...   



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über alle Kommentare. Bitte halten Sie sich aber an die Netiquette - keine rassistischen, sexistischen oder sonstwie diskriminierenden Äußerungen. Auch Militaristen haben hier ausdrücklich kein Forum. Falls Sie der Ansicht sind, ich wäre a. blöd b.hässlich oder c. beides, behalten Sie das bitte für sich. Es interessiert hier niemanden. Versuchen Sie, inhaltlich relevante Kommentare, die die Diskussion zum Thema voran bringen und das Thema erhellen, abzugeben. Ich behalte mir vor, Kommentare zu kürzen oder zu löschen und weise darauf hin, dass die in Kommentaren geäußerten Ansichten nicht unbedingt meinen eigenen entsprechen.