Montag, 28. September 2015

25 Jahre Brandenburg



Unter dieser Überschrift sollen die Brandenburger feiern. Wen sollen sie feiern? Natürlich die Landesregierung und damit die Parteien, die für den derzeitigen Zustand des Landes verantwortlich sind! Deshalb waren die Bürger des Landes für den 26. September nach Potsdam eingeladen. Wer fuhr nach Potsdam und feierte?

Mir fallen da zunächst die Mitarbeiter in den Verwaltungen ein. Sie haben kurze Wege zur Arbeit, ein übersichtliches Aufgabengebiet, also Dienst nach Vorschrift, und werden auskömmlich, manche sogar gut bezahlt. Dann gehören dazu die Beamten, die nicht nur einen sicheren "Job" haben sondern auch eine überdurchschnittlich hohe Pension erwarten dürfen. Schließlich gehören zu diesem Kreis auch die meisten Juristen, denen es - egal ob als Richter oder Anwalt - kaum besser gehen könnte.

Es gibt noch weitere Berufsgruppen, die - von Ausnahmen abgesehen - mit ihren Tätigkeiten und der Entlohnung wohl überwiegend zufrieden sein können - dank ihrer eigenen fleißigen Arbeit. Ich denke da z.B. an Ärzte und Pfleger, Lehrer und Erzieher, Polizisten und Feuerwehrleute - egal ob männlich oder weiblich. Ihnen sei eine Feier - egal aus welchem Anlaß - herzlich gegönnt. Die Landesregierung, die ja so gerne gefeiert werden will, hat allerdings an ihrem Wohlergehen einen nur kleinen Anteil.

Was gibt es - ganz konkret - eigentlich zu feiern? Da wird jedem sicher etwas anderes einfallen, manchen auch gar nichts. Es gibt nämlich leider viele, denen so gar nicht nach Feiern zumute ist. Hier habe ich besonders die Einwohner des Landkreises Barnim im Blick.
Zuerst denke ich an die Menschen, die ihren Arbeitsplatz z.B. im Walzwerk, im Kranbau, in der Chemischen Fabrik und  im Leuchtenbau, aber auch in der Schweinemast (SZMK) und im Fleischwerk in Britz (SVKE) oder im Schichtpressstoffwerk Bernau, in der Großbäckerei oder im Kabelwerk Schönow verloren haben und nun zur Arbeit - nicht im Barnim! - täglich weite Wege fahren müssen.

Ich denke an diejenigen, die gar keine Chance mehr auf einen Arbeitsplatz haben und nun - dank Hartz-IV-Gesetz - in Armut leben. Ich denke an die vielen, die als Bezieher kleiner Renten unterhalb der Armutsgrenze bleiben und an diejenigen, die mit Mindestlohn in Teilzeitjobs ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen und denen es oft noch schlechter geht als Empfängern von Sozialhilfe. Ihre Lebenssituation wird ihrer Arbeitsleistung nur selten gerecht. Ihr Leben ist ein unwürdiges Dasein. Hier ist die Würde des Menschen, die doch unantastbar sein soll, massiv verletzt. Ein solches Leben ist das Ergebnis von 25 Jahre "Einheit" und 25 Jahren Land Brandenburg und man muß wohl Verständnis dafür haben, dass das wahrlich kein Grund zum Feiern ist.

Brandenburg wie immer weit hinten
25 Jahre Brandenburg, das ist 25 Jahre Deindustrialisierung. Das ist 25 Jahre Zerschlagung funktionierender Strukturen z.B. im Bildungswesen, im Gesundheitswesen, im Naturschutz und in der Wasserwirtschaft. 25 Jahre Brandenburg, das ist extreme Unterversorgung mit Dienstleistungen und Waren des täglichen Bedarfs auf dem Land, aber auch Kultur findet nicht mehr statt, es sei denn gelegentlich ein Fußballspiel des Dorfvereins - soweit es den noch gibt, denn die jugendlichen Spieler haben ihr Dorf längst verlassen! Statt dessen beweisen uns täglich Heerscharen von Versicherungsgesellschaften und Banken, ungesund aufgeblähte Verwaltungen und oft mehr als drei Briefträger an einem Tag die Ineffektivität dieses Gemeinwesens. Am Rande von Ballungsgebieten drängeln sich die Supermärkte und täuschen Wettbewerb zugunsten der Kunden vor. Wenn es jedoch darum geht, Preise zu erhöhen, sind sich alle einig! Trotzdem verschwinden auch große Unternehmen nicht selten ganz plötzlich und mit ihnen die Waren im niederen, günstigen Preissegment. Wir spüren das im Geldbeutel. Die Jagd nach Geld, nach Profit hat oberste Priorität. Auf echte Leistung kommt es nicht an. 

Obwohl die Verwaltungen ja von den Bürgern bezahlt werden, kassieren sie für jeden noch so kleinen Verwaltungsakt extra - eine Gebührenordnung macht's möglich. Da wird dann das Geld für die Feier knapp.

Wer etwas Geld, auch als Notgroschen gedacht, zurücklegen konnte, etwa weil sein Häuschen nun bezahlt ist, dem werden die Ersparnisse mit Ausbaubeiträgen, gegen die er sich kaum wehren kann, aus der Tasche gezogen. Hier haben sich Straßenausbaubeiträge und Wasser-/Abwasseranschlußbeiträge, sogar sog. Altanschließerbeiträge "bewährt". Vier- und Fünfstellige Beträge sind die Regel! Und das sollen wir feiern? 

Permanent werden Reformen auf  verschiedensten Gebieten - oft gegen jede Vernunft und unter Mißachtung überzeugender Argumente - mit Gewalt durchgesetzt, um dann - die Argumente sind stärker! - wieder scheibchenweise aufgehoben und korrigiert zu werden. Jeder hat inzwischen gemerkt, daß die sog. Polizeireform ein Flop war und daß die Schulreform nicht funktioniert. 

Wer auf einem Dorf lebt, der sollte möglichst nicht krank werden, denn der Weg zu Arzt und Apotheke ist weit! Manchmal ist es sogar ein Problem, Geld vom eigenen Konto abzuheben, denn auf dem Dorf gibt es nicht einmal mehr einen Geldautomaten. Der rechnet sich nicht! Wohl dem, der Kinder und Enkel hat, die gut versorgt sind! Wer dieses Glück nicht hat und seine Kinder nicht belasten will, der sollte, angesichts der üblich schwindelerregenden Friedhofsgebühren, besser auf das Sterben verzichten!

Ein Kabinettstück der Landesregierung ist die bevorstehende Verwaltungsstrukturreform, die gegen alle Widerstände mit Gewalt durchgesetzt werden wird, obwohl bereits die vorherige Reform keine Effektivität - etwa Einsparung von Geld oder verbesserte Dienstleistungen für die Bürger - gebracht hat. Sollen wir die Landesregierung für derlei Aktionismus, fernab jeder demokratischen Legitimation, feiern?

Es ist wahrlich keine Leistung, die man feiern kann, wenn sich - geködert mit Millionen Förderung aus Steuergeld - Unternehmen rund um Berlin  angesiedelt haben. Ein Standort in Steinwurfweite von der Hauptstadt ist nun mal für viele Unternehmen günstig, ja unverzichtbar. Trotzdem hat sich eine stattliche Zahl von Unternehmen wieder verabschiedet, kaum daß die Fördermittel verbraucht waren. Man zieht einfach weiter um woanders erneut Fördermittel "abzugreifen". Der Minister kommt gern persönlich zum Sektempfang - man gönnt sich ja sonst nichts! - übergibt öffentlichkeitswirksam den Fördermittelbescheid und macht gleich noch ein bißchen Wahlwerbung.  Was gibt es da zu feiern?

Die Landesregierung ist unfähig, den Fortgang des Kahlschlages im industriellen Bereich zu stoppen.Selbst bei einem Bundesunternehmen wie dem RAW in Eberswalde wird das Firmenlegen - trotz guter Auftragslage - konsequent fortgesetzt und die Landesregierung ist untätig und machtlos. Was sollen die Bahnwerker feiern? Statt dessen wird es eine weitere Mahnwache geben!

Die Fehlleistungen der Landesregierung sind jedoch nicht auf die Industrie beschränkt! Landwirte beklagen zu Recht, daß ihnen die Landesregierung ihr Pachtland an meistbietende Bodenspekulanten  verscherbelt. Sie haben keine Chance, das Land selbst zu kaufen!

Es tönt landauf und landab, daß man nur gut ausgebildet sein muß, um hier in Brandenburg gut leben zu können und eine Zukunft zu haben. In Wahrheit schützt nicht einmal ein abgeschlossenes Studium vor Arbeitslosigkeit. Selbst Master (Diplom haben wir abgeschafft!) mit Doktorhut müssen sich  oft genug mit zeitlich begrenzter "Projektarbeit" ihre Brötchen verdienen und nicht alle haben das Glück, irgendwann einmal fest angestellt zu werden. Es bleibt ihnen oft nur der Weg in den "richtigen Westen" oder ins Ausland und viele gehen ihn, oft widerwillig, aber was denn sonst? Ihre Kinder sind dann natürlich auch keine geborenen Brandenburger! Jedenfalls werden die bei der Feier nicht dabei sein.

Fast täglich lesen und hören wir von "Fehlern" der Landesregierung, die überwiegend erst zugegeben werden, wenn sie lange zurück liegen. Pfusch und Fehlinvestitionen wo man hinsieht! Jeder weiß um die Affairen Lausitzring, Autobahndreieck Havelland und Flughafen BER - nur drei Beispiele für Millionen- und Milliardengräber im Ergebnis von Schlendrian und Verantwortungslosigkeit der Landesregierung. 

Immer öfter werden auch Fälle von Korruption bekannt, obwohl die Landesregierung natürlich mit Fleiß bemüht ist, solche Fälle nicht bekannt werden zu lassen und - wenn das nicht gelungen ist - sie als bedauerliche Einzelereignisse kleinzureden. Jedem Bürger mit nur etwas Lebenserfahrung ist jedoch klar, daß "Speer" und "Fürniß" nur die Spitze eines Eisberges sind. Fälle von Vorteilsnahme und Begünstigung sind inzwischen in allen Kreisverwaltungen und in so manch einer Amtsverwaltung angekommen. Wer gut schmert, der gut fährt! Wer ein bestimmtes Parteibuch hat, ein guter Freund des Landrats oder des Bürgermeisters ist - so eine Pflicht zur Stellenausschreibung ist doch keine Hürde! - der kriegt den Job! Daran hat sich auch 25 Jahre nach dem Ende der DDR nichts geändert. Das nenne ich Kontinuität und Stabilität! Vielleicht ist das ja ein Grund zum feiern!?

Johannes Madeja

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