Mittwoch, 20. Juni 2012

Sozial, sozialer, Sozialreport

Das Positive zuerst: Für den am vergangenen Donnerstag in der Bernauer Stadtverordnetenversammlung gegen die Stimmen der meisten anderen Fraktionen beschlossenen Sozialreport der Linken müssen nun nur noch 40 Kennziffern zusammen gestellt und ausgewertet werden. In einem ersten Entwurf sollte die Bernauer Stadtverwaltung noch 60 Datensätze erfassen. Das Negative: Es sind noch 40 Kennziffern zuviel

Nun könnte man als Steuerzahler meinen, dass die Linke - wenn sie einen Sozialreport braucht - diesen gefälligst auch bezahlen soll. Aber man ist raffinierter, man lässt die Stadtverwaltung arbeiten und uns alle zahlen. Und als sozial denkender Mensch könnte man fast denken, dass ein derartiger Report wirklich wichtig ist. Wirklich ?

"Der Sozialreport ist ein richtiges Dokument, um künftig in unserer Stadt zielgenauer Entscheidungen in verschiedenster Hinsicht treffen zu können" heißt es da in dem Antrag der Linken an die SVV  Von einem bisher bei Entscheidungen der Stadtverordneten zu Rate gezogenen Bauchgefühl ist die Rede. Man möchte die Arbeit der Ratsdamen  und  - herren auf eine solide statistische Grundlage stellen. Nichts dagegen zu sagen. Warum man aber dann eine Vorlage zur Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes zum Zwecke der besseren Auslastung der immer noch zu leeren Gewerbegebiete der Stadt aus einem lächerlichen revolutionären Bauchgefühl  heraus mit dem Argument bekämpft, hier würden Steuergeschenke an Unternehmer verteilt und die Datenbasis des DIHT - in den Augen einiger übereifriger linker Volkswirtschaftsstudenten offensichtlich als konterrevolutionäre Institution verschrien - wäre einseitig, erschließt sich dem langjährigen Beobachter linker Spiegelfechterei nicht.

Bringen wir etwas Licht in die Angelegenheit: Im nächsten Jahr sind wichtige Wahlen - Bundestagswahlen. Frau E. - in Bernau auch die Heilige Dagmar genannt - möchte wieder rein. Da den Linken die Wähler wegsterben und neue Mitglieder wahrscheinlich nur dann gewonnen werden können, wenn sie selbst für eine  Mitgliedschaft bei den Piraten zu dick und unbeweglich sind, sieht es zur Zeit nicht gut aus.

In Brandenburg kommt noch dazu, dass der Chef-SPD-Schwiegersohn und Ministerpräsident Platzeck den Regierungspartner PDL kräftig demontiert hat. Braunkohleverstromung, unterirdische Kohlendioxidverpressung, ekelhafte Nachbarschaftsfehden von linken Ministern mit harmlosen Ponyhofbetreibern am Rande des Existenzminimums, gnadenlose Anpassung an die SPD - dafür steht die Brandenburger Linke heute. Die Bernauer Linke ist vor allem als Verhinderer von Gewerbeansiedlung bekannt. Man hat sich im Politzirkus dieser Republik gut eingerichtet, das Girokonto wird jeden Monat wohl gefüllt. Da ist ein bisschen Arschkriecherei bei der SPD wohl nicht zuviel verlangt. Dieser Opportunismus  fällt der PDL allerdings jetzt auf die Füße, denn  der Wähler ist nicht ganz so dumm, wie mancher Funktionär denkt.

Höchste Zeit also für die PDL, sich wieder einmal als Rächer der Witwen und Waisen zu präsentieren. Und da einigen Linken ganz offensichtlich der Führungsoffizier verloren gegangen ist, beauftragt man kurzerhand die Stadtverwaltung mit Datensammelei. Und man macht gleich einen Rundumschlag: Zahlen zur Bildung, Umwelt, Wahlbeteiligung, soziale Verhältnisse nach Ortsteilen sollen da gesammelt werden. Gesundheit, kommunale Ökonomie und Erwerbstätigkeit werden erfasst. Gleichzeitig bricht man in Tränen aus: " Es gibt die verständliche Sorge, ein solcher Report wäre zu teuer..". "Wir erkennen aber, dass die Daten bzw. Quellen im Wesentlichen alle existieren" gibt man sich in dem Antrag an die Bernauer SVV überzeugt. "Bundesagentur für Arbeit, Landkreis Barnim, Finanzamt, Statistisches Schulamt, Stadtverwaltung, Vereine, Arbeitslosenserviceeinrichtungen, Wohlfahrtsverbände" werden als ausdrückliche Quellen genannt, die es abzuschöpfen gilt. Die Daten sind tatsächlich da, das stimmt sogar, aber sie existieren aus guten Gründen in unterschiedlichen Institutionen und verschiedenen Datenbanken und eben nicht in einer Zentralkartei in der Berliner Normannenstraße, der ehemaligen Zentrale von Mielkes Mannen.

Der Gipfel der Demagogie ist dann in dem Moment erreicht, wenn man dem Leser der "Märkischen Oderzeitung" heute morgen per Leserbrief weismachen will, dass auch andere Kommunen (Plural !) in Brandenburg derartige Stasiakten führen und diese auch nutzen. Auf Recherche der Bernauer Stadtverwaltung kam heraus, dass einzig Strausberg einen Sozialreport erstellt, dafür extra eine teure Verwaltungsstelle geschaffen hat und der Nutzen bzw. die Nutzung des Reports sich bisher - freundlich ausgedrückt -  in engen Grenzen hält.

Ein ganz privates Fazit: Meine inzwischen über 40-jährigen Erfahrungen mit statistischen Erhebungen zeigen eindeutig, dass statistische Daten immer nur kurzfristige und schnell vergängliche Momentaufnahmen sind. Datenerhebungen quasi auf Vorrat sind daher sinnlos, denn das Leben ist viel schneller als jede Statistik. Im Falle einer anstehenden politischen Entscheidung z.B. zu Schulneubauten o.ä. wird die Bernauer Stadtverwaltung in jedem Fall für teures Geld neue und zusätzliche Daten erheben müssen. Die dann bei der bürokratischen Langsamkeit unserer Planungsprozesse im Falle der Realisierung auch schon wieder veraltet sein werden. Der teuer und aufwändig erstellte Sozialreport wird also das Schicksal der meisten Bernauer Konzepte und Ausarbeitungen teilen. Er verschwindet in einem großen Schrank, dessen Standort im Bernauer Rathaus nur der  Bürgermeister kennt. Die Steuergelder dafür sind allerdings weg, ohne dass sich irgendetwas bewegt hätte. Auch die Heilige Dagmar weiß das. Es geht also nur darum, wieder einmal Aktivität zu zeigen. Wegen der nächsten Wahlen... 




Grafik: Privat - kein Zutritt (Gerd Altmann / pixelio.de)




2 Kommentare:

  1. Nabend,
    Ich bin nicht der treueste Leser, aber in Anbetracht der wenigen von mir besuchten Seiten aus Bernau und dem Drumrum, schaue ich verdammt oft hier vorbei. So. Nun habe ich mich mal geoutet (achso ich bin da kein Parteigetreuer von welchem Verein auch immer). Bisher kann ich ja manch Geschriebenes nachvollziehen, auch wenn meine Meinung nicht immer mit Ihrer harmoniert. Diesen Artikel versteh ich nicht wirklich. Wenn ich irgendwas verbessern will, muß ich doch erstmal schauen, wo es mangelt und vielleicht auch schauen, woran es liegt (Abhängikeiten darstellen und erkennen). Da ist doch so ein Plan, auch wenn er schon veraltet ist bevor er herauskommt sinnig. Ich denke mal eher, daß man, eh man sich dem in den Weg stellt, alles machen sollte, was die Erstellung und Auswertung zur Schnelligkeit verhilft. Wenn sich dann mal alle an einen Tisch setzen (was wohl nicht vorkommt in Bernau, oder?), könnte man bestimmt mal zeitnah was ganz großes und wegweisendes auf die Beine stellen, wenn man nur wollte (was wohl auch nicht passiert, weil sich alle nur begeifern und bekriegen in Bernau, oder?).
    Liebe Grüße
    Herr J aus B an der P

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  2. @Herr J: Danke für Ihren Beitrag. Ich habe lange überlegt, was ich ihnen antworten kann. Sie haben ja in allem Recht. Aber soll oder muss man wirklich jedes populistische Scheingefecht mitmachen, jeden teuren Unsinn akzeptieren,jede ideologische Medienblase gut heißen,um die politische Harmonie nicht zu stören? Außerdem:"Die Menschen sind gut, nur die Leute sind schlecht" hat Karl Valentin mal gesagt. Stellen Sie sich vor, sie sitzen in einem Ausschuss der Stadtverordnetenversammlung und ihnen schlägt von 4 Ratsherren (von 5) einer ganz bestimmten Fraktion statt dem Willen, die Stadt voranzubringen, nur blanker Hass entgegen. Nicht alle Stadtverordnete dieser Fraktion sind böswillige Idioten, aber diese Idioten bestimmen leider die Politik dieser Fraktion. Einfach, weil sie mit Kritik oder gar Ironie nicht umgehen können und wie in 40 Jahren DDR meinen, im Besitz der allumfassenden Wahrheit zu sein. Wo uns - also ältere Menschen wie mich - diese allumfassende Wahrheit hingeführt hat, haben wir 1989 alle gesehen. Die Partei, die Partei, die hat immer Recht und jede Kritik an ihr ist konterrevolutionär und gehört streng bestraft. Oder wenn man mir aus dieser Ecke vorhält, dass ich mich doch tatsächlich an die Presse gewandt habe. Sie haben noch nicht mitbekommen, dass man das heute darf, auch ohne den SED-Parteisekretär zu fragen. Oder - wie neulich ein ironischer Kommentator in der "Märkischen Oderzeitung" schrieb - "Ihr allein bestimmt, was links ist und das allein ist richtig und alle anderen sind rechts und das ist schlecht."

    Diese Art von "Leuten" habe ich in meinen 38 Jahren DDR-Bürgerschaft tausende Male erlebt, mit diesen übrig gebliebenen Ideologen kann man keine vernünftige Politik für die Stadt machen.Für mich ist klar: Deutschland/Brandenburg/Barnim/Bernau brauchen eine linke Opposition - aber nicht diese.

    Nun zum Sozialreport: Zu den sachlichen Ablehnungsgründen- kurzgefasst: Statistik ist eine Hure, mit ihr lässt sich alles beweisen - treten vor allem Gründe des Datenschutzes und der Fakt, dass unser CDU-Bürgermeister das gewaltige Werk (sollte es je fertig werden) wie das Marktplatz-, Denkmals-,Innenstadt-, Parkraum-, Einzelhandels- und sonstige Konzepte schon aus Trotz in dem großen Schrank im Rathaus ablegen wird, dessen Standort nur er kennt. Ein bedeutender subjektiver Faktor, an den die Linke nicht denkt.

    An Sie, lieber Herr J. die Bitte, sich hier öfter zu äußern. Auch wenn Sie nicht in allem meine Meinung teilen. Schönen Tag noch!

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