Freitag, 15. Juli 2011

Mal wieder 'nen Gedicht

Die Redensart

Als Friedrich, August von Sachsen
noch saß auf seinem Thron,
da tat die Empörung wachsen –
horch, horch – die Revolution!
Im Schloß erschrak man nicht wenig,
der Kammerherr wurde ganz blaß.
Da sagte der gute Geenich:
„Ja, dürfen die denn das –“

Der Satz hat sich eingefressen.
Ich sag ihn bei Tag und bei Nacht.
Ich sag ihn bei Jungdo-Adressen,
ich sag ihn, wenn Hitler was macht.
Ich sag ihn, wenn Mädchen sich lieben
und wenn einer reizt mit dem Ass
und wenn sie um Schleichern was schieben:
„Ja, dürfen die denn das –?“

Wie die Deutschen so tiefsinnig schürfen!
Jeder Mann ein Berufungsgericht.
Nur wer darf, der darf bei uns dürfen –
die andern dürfen nicht.
Und sitzt in der peinlichsten Lage
der Deutsche, geduckt und klein –
dann stellt er die deutscheste Frage
und schläft beruhigt ein.


Kurt Tucholsky
(Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel, Kaspar Hauser)
zitiert aus DREI MINUTEN GEHÖR
Prosa – Gedichte – Briefe
Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1974


Das Schlimmste in diesem meinem gräßlichen, schönen Vaterland ist, dass sich NIE, auch nicht nach 90 Jahren, irgend etwas ändert...

1 Kommentar:

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