Wer die Gegenwart verstehen will, muss die Vergangenheit kennen und begreifen. Kriege gestern gebären Kriege heute. Morgen werden die Kriege von heute weitergeführt. Wohl nirgendwo treffen diese Weisheiten mehr zu als in Bezug auf Afghanistan. Friedrich Engels hat schon vor etwa 160 Jahren die Geschichte dieses Landes analysiert. (Artikel, geschrieben um den 10. August 1857 aus "The New American Cyclopædia", Juli 1857 bis November 1860. Aus MEW Band 14 ) Keiner unserer heutigen Kriegsherren hat den nun folgenden Aufsatz gelesen, geschweige denn irgend etwas verstanden:
Afghanistan – ein weiträumiges Land in Asien, nordwestlich von Indien. Es liegt zwischen Persien und Indienund, der anderen Richtung nach, zwischen dem Hindukusch und dem Indischen Ozean. Früher umfaßte es die persischenProvinzen Khorassan und Kohistan, dazu Herat, Belutschistan, Kaschmir und Sind sowie einen beträchtlichen Teil des Pandschab. In seinen gegenwärtigen Grenzen leben wahrscheinlich nicht mehr als 4.000.000 Einwohner. Die Oberflächengestaltung Afghanistans ist sehr unregelmäßig; hohe Tafelländer, weit ausgedehnte Gebirgszüge, tiefe Täler und Schluchten. Wie alle gebirgigen Tropenländer bietet es eine große klimatische Vielfalt. Im Hindukusch sind die hohen Gipfel das ganze Jahr hindurch schneebedeckt, während in den Tälern das Thermometer bis auf 130 ° Fahrenheit (= 54,4/ Celsius)] ansteigt. Die Hitze ist in den östlichen Teilen größer als in den westlichen, aber im allgemeinen ist das Klima kühler als in Indien, und obwohl die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter und zwischen Tag und Nacht sehr groß sind, hat das Land im allgemeinen ein gesundes Klima. Die häufigsten Krankheiten sind Fieber, Katarrhe und Augenentzündungen.
Zuweilen treten die Pocken verheerend auf. Der Boden ist von einer üppigen Fruchtbarkeit. Dattelpalmen gedeihen in den Oasen der sandigen Einöden, Zuckerrohr und Baumwolle in den warmen Tälern, und europäische Obst- und Gemüsearten wachsen im Überfluß an den Bergterrassen bis zu einer Höhe von 6.000 bis 7.000 Fuß. Die Berge sind mit stattlichen Wäldern bedeckt, in denen Bären, Wölfe und Füchse zu Haus sind, während sich Löwe, Leopard und Tiger in Gebieten finden, die ihrer Lebensweise entsprechen.
Auch fehlen nicht die Tiere, die für den Menschen nutzbar sind. Es gibt eine hervorragende Schafzucht aus der persischen oder fettschwänzigen Rasse. Die Pferde sind von gutem Wuchs und guter Abstammung. Kamel und Esel werden als Lasttiere verwendet, und Ziegen, Hunde und Katzen gibt es in großer Zahl. Außer dem Hindukusch, einer Fortsetzung des Himalaja, zieht sich im Südwesten eine Gebirgskette hin, das sogenannte Salimangebirge; und zwischen Afghanistan und Balch verläuft unter dem Namen Paropamis ein Gebirgszug, über den jedoch in Europa wenig bekannt ist. Es gibt wenig Flüsse, die bedeutendsten sind der Hilmend und der Kabul. Sie entspringen im Hindukusch, von wo der Kabul nach Osten fließt und bei Attock in den Indus mündet; der Hilmend fließt in westlicher Richtung durch das Gebiet von Sedschestan und mündet in den Zareh-See. Der Hilmend hat wie der Nil die Eigentümlichkeit, jedes Jahr über seine Ufer zu treten und befruchtet so den Boden, der außerhalb des Bereichs der Überschwemmungen aus Sandwüste besteht. Die wichtigsten Städte Afghanistans sind seine Hauptstadt Kabul, Ghasni, Peschawar und Kandahar. Kabul ist eine schöne Stadt, auf 34 ° 10' nördlicher Breite und 60 ° 43' östlicher Länge am Fluß gleichen Namens gelegen. Die Häuser sind aus Holz, reinlich und geräumig, und da die Stadt von schönen Gärten umringt ist, bietet sie einen sehr gefälligen Anblick. Sie ist von Dörfern umgeben und liegt inmitten einer weiten, von niedrigen Bergen umschlossenen Ebene. Ihr bedeutendstes Baudenkmal ist das Grab des Kaisers Baber. Peschawar ist eine große Stadt mit einer auf 100.000 geschätzten Einwohnerzahl. Ghasni, eine Stadt mit bedeutender Vergangenheit, einstmals die Hauptstadt des bedeutenden Sultans Machmud, hat seinen alten Glanz eingebüßt und ist jetzt ein armseliger Ort. In seiner Nähe befindet sich die Grabstätte Machmuds. Kandahar wurde erst 1754 gegründet. Es liegt an der Stelle einer älteren Stadt. Einige Jahre war es die Hauptstadt, 1774 jedoch wurde der Sitz der Regierung nach Kabul verlegt. Es soll 100.000 Einwohner haben. Nahe der Stadt ist das Grabmal Schah Achmeds, des Gründers der Stadt, eine so geheiligte Zufluchtsstätte, daß nicht einmal der König einen Verbrecher herausholen lassen darf, der in seinen Mauern Schutz gefunden hat.
Fortsetzung folgt
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Mittwoch, 5. Januar 2011
3 Kommentare:
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Danke sehr Frank,
AntwortenLöschenEs fehlt nur die Quellenangabe, z.B. MEW Bd._S._ , und Dein Beitrag ist perfekt!
Alles Gute,
Nadja
@Nadja: Habe ich nachgeliefert :-)
AntwortenLöschen@Frank,
AntwortenLöschenSüß, Du bist somit auch so ein kleiner Enzyklopädist, aber zum Glück ein Fröhlicher!
In Flanders Field,
Nadja