Donnerstag, 26. März 2009

Kruppzeug*


Meine M. brachte es schon nach dem 2. Teil auf den Punkt (den ersten Teil hatten wir nicht gesehen): "Gute Zeiten, schlechte Zeiten für Reiche". Vom Niveau noch darunter, eher Rosamunde Pilcher und dazu noch handwerklich schlecht gemacht. Gemeint ist der mit vielen Vorschußlorbeeren bedachte Dreiteiler des ZDF " Krupp – eine deutsche Familie". Ich habe mir den Mist tatsächlich nur eine halbe Stunde des zweiten Teils angetan. Nach der blödsinnigen Bemerkung von Berta K., dass der böse Lenin den armen Reichen doch das Gold weggenommen habe, um damit Eisenbahnen zu bauen, wusste ich, wohin der Hase unweigerlich laufen muss und ging dann ins Bett - lesen. Denn es war nämlich umgekehrt: Die Reichen haben zuerst den Armen das Gold weggenommen, ehe diese es sich wiedergeholt haben.

Überhaupt: Als gelernter DDR-Bürger fragt man sich ja fast immer nach dem Sinn eines Kunstwerks, bei Filmen mit einem derartig brisanten Thema natürlich um so mehr. »Es wird das raffiniert gewobene Netz der Konzerngewaltigen sichtbar, in dem die Menschen zappeln. " schrieb das "Neue Deutschland" über einen anderen Film zum Thema im Jahre 1969. Der fünfteilige Fernsehfilm "Krupp und Krause", der im Januar 1969 im 1. Programm des DDR-Fernsehens ausgestrahlt wurde, sollte an individuellen Lebensschicksalen Lehren der deutschen Geschichte vermitteln. Der dargestellte Lebensweg des Fred Krause, gespielt von Günther Simon, vom Arbeiter bei Krupp bis zum Generaldirektor des Magdeburger Ernst-Thälmann-Werkes war eine dramatische Parabel, die die gesellschaftlichen Umbrüche in Deutschland und letztlich 60 Jahre Kampf der Arbeiterklasse verdeutlichen sollte. Der Film war ein expliziter Beitrag zum 20. Jahrestag der DDR. Als literarische Vorlage für den Fernsehfilm diente der 1965 erschienene Roman "Krupp und Krause" des westdeutschen Autors K. H. Helms, der von dem Autor Gerhard Bengsch bearbeitet und erweitert wurde. Die Frankfurter Rundschau schrieb dazu: "Während sich Helms mit einer partiellen Demontage der Krupp-Legende begnügte (deren Faszination er übrigens am Ende selbst wieder erliegt), zielt Bengsch auf umfassendere historische Aufklärung. Über den 1933 endenden Roman hinaus verfolgt er das Schicksal seiner Helden bis in die Gegenwart." (Frankfurter Rundschau vom 25.01.1969). Neben dem Hauptdarsteller Günther Simon sind Lissy Tempelhof als seine Frau, Angelica Domröse, Helga Göring, Herbert Köfer, Herward Grosse, Gerry Wolff, Jürgen Frohriep und viele andere zu sehen. Eine recht gute Zusammenfassung findet man in einem Gedicht von Erwin Jedamus.

Das gegenwärtige "ND" bespricht den jetzigen, bundesdeutschen »Krupp«-Film ebenfalls: "... (es) gibt (..) zwei kurze, dem entsprechende Szenen in der Villa Hügel und in einer Essener Arbeiterwohnung: Der junge Krupp hatte mit Proletarierkindern Fußball gespielt, im jeweiligen Zuhause erfolgen Ohrfeige bzw. Mahnung, gefälligst unter seinesgleichen zu bleiben. Klassenkampf. Der Dreiteiler dreht inmitten einer grobgestrickten Sozialstruktur von Arm und Reich den Schmerz- und Leidensmotor forciert hoch. Ein politisch fordernder Jahrhundert-Roman, der im 60. Jahr der Bundesrepublik in glühende, dunkle Tiefen des Staats-Wesens blickt – dies unterblieb leider."

Kann man dem noch zustimmen, bleibt die Kritik des ND ansonsten eher indifferent, wie leider so vieles aus dem Hause "Die Linke" in letzter Zeit. Die kritischsten Sätze sind noch folgende:
>> Freilich sorgt jede Zeit dafür, dass noch der bemühtest unideologische Film zum Träger einer Botschaft wird, die der Geist der Zeit in die Erzählung einspeist. »Krupp« gerät gerade jetzt, im akuten Entsetzen über kapitalistische Gier, zum fatal nostalgischen Besinnungsstück: Das Ethos der »Kruppianer« – so die trügerische Magie – bleibt im Film trotz Kaiser und Hitler, trotz Kriegsprofit und also Kriegsverbrechen eine Gesinnung des ehernen Arbeitens zum Wohle vieler. »Die Zeit« nennt das »die Entschuldigungslogik des populären Geschichtsfernsehens«. Es ist, als erwüchse alle Kälte dieser Familie, alle Verfehlung, alles Unglück, alle Feigheit vor der politischen Macht aus einer philosophisch zu nennenden Tragik. Dass nämlich der Mensch, der sich zur höchsten Aufgabe, zum gigantischsten Werk (das hier Krupp-Werke heißt), bekennt, grundsätzlich und unweigerlich ins Schuldige rutschen muss.<< Mal ehrlich, wie blind muss man sein, um als Autor ein derartiges Gesülze von sich zu geben. Dabei ist die Sache so einfach, wie schon Marx und Engels im "Kommunistischen Manifest" herausarbeiteten. Die bisherige Gesellschaftsentwicklung ist eine Geschichte von teils verborgenen, teils offenen Klassenkämpfen, hauptsächlich zweier gegensätzlicher Grundklassen. An die Stelle einer religiös oder politisch verbrämten Ausbeutung tritt im Kapitalismus die offene egoistische Bereicherung. Die Familienverhältnisse - auch der Krupps - treten als reine Geldverhältnisse auf. Der Staat wird zum Ausschuss, der die „gemeinschaftlichen Geschäfte“ der Bourgeoisie verwaltet. Da ist nichts, aber auch gar nichts mit Kategorien wie GUT oder BÖSE, SCHULD oder SÜHNE, GLÜCK oder UNGLÜCK, ETHOS und GESINNUNG , WOHL ALLER oder ähnlichem Propaganda-Gedöns. "Wir hier oben und ihr da unten" heißt der Wahlspruch des Kruppzeugs. Und dafür - und ganz eigentlich nur für ihren Profit von 1000 Prozent und mehr - gingen und gehen sie , wie jeder Kapitalist, auch über Leichen...


* eigentlich "Kroppzeug": Gegenstände oder Personen, auf die man eigentlich verzichten möchte, die einem nicht wertvoll oder liebenswert erscheinen ("Dat ganze Kroppzeug kannze doch in Mülleimer haun.") - Slangausdruck, stammt aus dem Ruhrgebiet.

Foto: Thomas Max Müller (www.pixelio.de)


2 Kommentare:

  1. wir haben uns diese propaganda nicht angetan, herrlich treffend dazu ist mal wieder Evelyn Fingers kritik in der aktuellen "Zeit". hier ein paar auszüge:
    --
    "Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des alten vertrauenswürdigen Kapitalismus. [...] Alle haben sich zu seinem Lob verbündet, die Kanzlerin und die Bischöfe, die Gewerkschafter und die Autoschlosser. [...] Das Geschichtsfernsehen zumindest glaubt an den Heroismus früherer Wirtschaftseliten."

    "Es liegt in der Entschuldungslogik des populären Geschichtsfernsehens, dass das Private das Politische weitgehend zum Verschwinden bringt:"

    "Entscheidend ist im Film nicht, dass Krupp Waffen ans kaiserliche Heer liefert, sondern dass er sich zähneknirschend dazu durchringen muss und nachher seinen kaputt geschossenen Arbeitern teure Beinprothesen bezahlt. Diese verlogene Barmherzigkeit erscheint als ehrliche Selbstaufopferungsbereitschaft,[...]"

    "Dass wir mit den Waffenfabrikanten mehr Mitleid haben als mit den Soldaten, liegt an einer perfiden Dramaturgie der Gefühle, die unseren Verstand planmäßig außer Kraft setzt."

    "An der Oberfläche argumentiert der Film gegen den Mythos vom Kruppstahl, aber im Herzen ist er ihm innig zugetan. Er macht uns vergessen, dass für den finalen Aufstieg des Großunternehmens zwei Weltkriege nötig waren"

    "Trotzdem wirbt der Film für dieses letzte Heilsversprechen: Kapitalismus als Religion und Unternehmertum als Utopie."

    "Es wäre schön, wenn wir den flexiblen Kapitalismus einmal kritisieren könnten, ohne sogleich in einem kruppstahlharten Gehäuse zu landen."
    --
    gabs da mal einen bildungsauftrag der öffentlich rechtlichen? dieser propagandastreifen ist jedenfalls das gegenteil. er ist ein weiterer beweis für die nutzung von fernsehgebühren zur volksverdummung. warum eigentlich nicht die kiste abschaffen und der GEZ ade sagen?

    AntwortenLöschen
  2. nachtrag interessant ist in diesem zusammenhang auch dieser artikel zu den öffentlich rechtlichen.

    AntwortenLöschen

Ich freue mich über alle Kommentare. Bitte halten Sie sich aber an die Netiquette - keine rassistischen, sexistischen oder sonstwie diskriminierenden Äußerungen. Auch Militaristen haben hier ausdrücklich kein Forum. Falls Sie der Ansicht sind, ich wäre a. blöd b.hässlich oder c. beides, behalten Sie das bitte für sich. Es interessiert hier niemanden. Versuchen Sie, inhaltlich relevante Kommentare, die die Diskussion zum Thema voran bringen und das Thema erhellen, abzugeben. Ich behalte mir vor, Kommentare zu kürzen oder zu löschen und weise darauf hin, dass die in Kommentaren geäußerten Ansichten nicht unbedingt meinen eigenen entsprechen.