Mittwoch, 27. Februar 2008

Die Experten kommen

Der heutige Expertentipp in der "Märkischen Oderzeitung" - der behandelnde Arzt schickt angeblich das erste Blatt des Formulars der Krankschreibung von sich aus an die Krankenkasse - bringt mich dazu, einmal generell über Experten in diesem Staat nachzudenken. Da gibt es Finanzexperten, die plötzlich Einkaufen und Kochen können und heissbegehrte Ratschläge an Arbeitslose weitergeben. Andere Experten beweisen sich und uns, dass auch ehemalige Chefärzte nicht notwendig intelligent sein müssen und postulieren Totschlag als Instrument der Familienplanung in der DDR. Überall findet man Experten: Im Fernsehen bringt mir eine selbsternannte Ernährungsexpertin den neuesten Ernährungs- Unsinn aus den USA bei, der Steuer-Experte der Deutschen Post AG offeriert mir Anlagetipps für Liechtenstein und der Rentenexperte will mir die Ergüsse eines abgewrackten Experten namens Riester andrehen. Meist schreibt dann bei den ganzen Expertentipps einer noch vom anderen ab und lässt außerdem was weg. So bleiben diese tollen Ratschläge in der Mehrzahl nur unausgegorener Quatsch. Was soll's: Nächste Woche wird wieder eine neue Polit-Sau durchs Dorf getrieben oder es gibt eine neue Super-Diät aus den USA.
Wer aber eine ganz besondere Freude erleben will, sollte mal auf eine Internet-Seite gehen, wo das Zeitgeschehen und auch die o.g. Entgleisungen unserer Polit-Experten diskutiert werden. Dort trifft man z.B. auf Dutzende Ost-Experten, meist natürlich aus Wessiland, die es mal wieder ganz genau gewusst haben und vor allem alles genau erklären können. Einer hat mir neulich zum wiederholten Male die Wende erklärt. Er war zwar nicht dabei, wusste aber genau, warum und wofür wir damals demonstriert haben. Nämlich für 18 Jahre Deindustrialisierung und sozialen Niedergang. Ich weise allerdings inzwischen auch schon nicht mehr daraufhin, dass ich schon vor der Wiedervereinigung mit Messer und Gabel essen konnte. Das stieß immer auf ungläubiges Staunen. Auch dass unsere zwei Kinder eigene Betten hatten und nicht im Blumenkasten aufbewahrt wurden, ist unglaublich für so manchen Bürger aus den ABL (Alten Bundesländern) Unterschwellig wird dann beim Gesprächspartner aus dem Westen sofort die Mitgliedschaft bei der Stasi suggeriert. ("Was, die Kinder hatten eigene Betten, der Mann war priviligiert, also bei der Stasi !") Und das wir in der DDR sogar Fremdsprachen lernen konnten, ist sowieso eine Lüge der PDS und ihrer Anhänger. Das Schöne an der Bundesrepublik Deutschland ist: Jeder kann Experte sein, nicht nur der Topf-Pfeiffer, der einstmals soziale Defizite aus dem gemeinsamen Topfsitzen in den Ost-Kinderkrippen erklärte und nun auch schon wieder Morgenluft wittert. Ein Experte vermutete gestern sogar, Herr B. aus Sachsen-Anhalt wäre wahrscheinlich sogar ein guter Chefarzt gewesen, "auch wenn er aus dem Osten kommt!" In einer anderen Diskussionsrunde machte ich mich neulich sehr unbeliebt, weil ich darauf hinwies, dass wir im Osten nur maximal 85 % des Westgehaltes erhalten und auch nur 85% der Rente bekommen, aber ebenfalls den unbeliebten Soli zahlen müssen. Undankbarkeit, gepaart mit Verlogenheit war noch das Geringste, was man mir vorwarf. Hätte ich es doch nur wie mein Freund Peter gemacht, der in einer ähnlichen Diskussion auf jede Erklärung verzichtete und einfach sagte: " Wir haben fast 50 Jahre lang 240 Millionen Sowjetbürger mit durchgefüttert. Jetzt werdet ihr ja wohl mal ein paar Jahre für uns zahlen können!" Das wurde ohne jede weitere Diskussion verstanden und sogar akzeptiert! Meistens aber darf man Experten nicht widersprechen, denn dann wird man gleich als das gebrandmarkt, was man nun wirklich in der ganzen Konsequenz nie war und auch nicht werden wird: Ein ewiger, rückwärts gewandter , undankbarer Kommunist! Aber um so zu werden, müsste ich genauso ein Experte im Niederbrüllen anderer Meinungen werden, wie es andere Leute in diesem Hort der Meinungsfreiheit und Toleranz namens BRD schon sind...

Grafik: Gerd Altmann (pixelio.de)

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