Samstag, 29. März 2025

Christa

Die  vergangene Woche bot wieder die Möglichkeit darüber nachzudenken, was von einem Menschen bleibt. Der Morgen hatte besonders trübe angefangen, gegen Mittag saß ich mit einer ehemaligen lieben Kollegin auf einer Friedhofsbank im Berliner Stadtbezirk Pankow und plötzlich brach die liebe alte Sonne mit Urgewalt durch die Wolkendecke. Wir warteten auf den Beginn der Trauerfeier für unsere Christa, dem guten Geist unserer Abteilung im damaligen Institut für Agrarökonomie der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR. Das mit der Sonne war wieder typisch für Christa, da wo sie war, war es nie lange trübe, Optimismus und Freude kehrten ein. Heute mussten wir uns von ihr verabschieden.

Christa war 1922 in den damaligen deutschen Ostgebieten geboren worden, 1944 floh ihre Mutter mit ihr und den drei Geschwistern nach Leipzig. Der Vater war in Kriegsgefangenschaft, die Mutter schlug sich mit den vier Gören durch. Ein Schicksal, das die kleine Christa nicht kleinkriegte. Sie lernte einen richtigen Beruf in der Landwirtschaft, sie heiratete, der Nachwuchs kam, langsam kam ein wenig Wohlstand, man zog nach Berlin in eine vernünftige Wohnung und Christa fing wieder an zu arbeiten. Sie wurde die gute Seele an unserem Institut.

Manch einer meint, die Ökonomie wäre eine Wissenschaft, was nicht stimmt. Und obwohl meine Doktorarbeit sich in wesentlichen Teilen mit einem ökonomischen, betriebswirtschaftlichen Thema beschäftigte, war ich mein Leben lang diesen Themen eher abgeneigt. Es gibt jedoch heute noch Zeiten, in denen ich die Sumerer dafür verfluche, dass sie damals vor etlichen 1000 Jahren die Zahlen und das Geld erfunden haben. Seither, seit etlichen 1000 Jahren, versuchen Ökonomen  die Wirklichkeit mit ihren meist eigenwillig interpretierten ökonomischen Gesetzen zu vergewaltigen. Ich muss zugeben, dass diese Spezies an unserem Institut stark vertreten war. In ihnen paarte sich die unbändige Kraft des Wortes mit dem Willen, den realen Zahlen körperliche Gewalt anzutun und einem tief sitzenden gläubigen Wissen. Der Sozialismus würde siegen.

Christa nun wiederum schaffte es fast immer, diese sogenannten Wissenschaftler auf den Boden der sozialistischen Tatsachen in der Landwirtschaft der DDR zurückzuholen. Meist genügte dafür nur ein einziger Satz, der Phrasendrescher zerplatzte mit leisem Pffff und  wir jungen Kollegen versuchten, das heimliche Grinsen über den Superökonomen zu verbergen. Uns jungen Leuten am Institut war sie nicht nur auf diese feine, hintergründige Art, sondern auch privat immer eine Stütze und Freundin.

Nun hat sie uns im zweiundneunzigsten Lebensjahr verlassen. Sie liegt wieder neben ihrem Günter und ich stelle mir zum wiederholten Male die Frage, was von einem Menschen bleibt.

Von der kleinen Christa ein ganze Menge ...
 

Mittwoch, 26. März 2025

Erinnerungen werden wahr oder: Alles schon mal erlebt !

Als unser HGLer (Hausgemeinschaftsleiter, allgemein gesprochen eine Art  "Blockwart") mich am 7. Oktober 1989 damit bedrohte, meine Parteileitung darüber zu informieren, dass ich zum Republikgeburtstag nicht ordentlich die DDR-Fahne geflaggt hatte, habe ich ihn rausgeschmissen. Ich war der Meinung, dass wir als Republik andere Probleme hätten. 

Vorausgegangen waren diesem Wutanfall Monate des Chaos, in denen wir uns in unserem Ministerium  in Tag - und Nachtschichten verzweifelt bemühten, unsere Arbeit zu machen. Wir waren für die Ernährung der Bevölkerung verantwortlich, die Lücken, die die anhaltende Flucht vieler DDR-Bürger über Ungarn in den Betrieben und Kombinaten der Backwaren- und Teigwarenindustrie, der Brauereien und Konservenfabriken usw.  riss, wurden immer größer. Bei den meisten Menschen, die hier blieben, herrschte eine Stimmung wie heute nach den ersten Schandtaten der Scheinregierung des Merzels. Das heißt, sie war im Keller. 

Äußerungen der Partei- und Staatsführung, die wenig Grund zum Optimismus boten, taten ein Übriges. Die "Genossen" unter uns wurden vom altstalinistischen Kaderleiter und dem vom Zentralkomitee der SED eingesetzten Parteisekretär verpflichtet, sich am Sonnabend oder Sonntag unter das Publikum z.B. in der Zionskirche zu mischen und darüber einen Bericht abzufassen. Ich weiß nicht, ob sie hingegangen sind.

Noch im September 1989 schmiss eine "erboste" Parteigruppe - natürlich auf höhere Weisung - einen der Ihren aus der SED, weil er Kritik an den Oberen gewagt hatte. Noch im Januar 1990 verlangte unsere Vorsitzende der Betriebsgewerkschaftsleitung von uns als der zuständigen Abteilung die Plankennziffern für den kommenden Fünfjahrplan. Die hat sie dann  auch bekommen und wir mussten dafür nicht einmal eine Kristallkugel bemühen. Die alte ingenieurtechnische Formel PI mal Daumen mal Fensterkreuz reichte völlig aus. 


Auch die Entmachtung Honeckers und die ersten Äußerungen des neuen Generalsekretärs Krenz führten nicht zu vermehrtem Optimismus unter der hiergebliebenden Bevölkerung und damit auch nicht zu erhöhter Arbeitsproduktivität. Was wiederum zu erhöhtem Arbeitsanfall bei uns Planern und Lenkern der Volkswirtschaft führte. Und je mehr geplant und gelenkt wurde, umso größer wurde das Chaos und umso hektischer wurden die Bonzen der Blockparteien. 

 

Wem diese Ereignisse bekannt vorkommen, hat wahrscheinlich Recht. Geschichte wiederholt sich auf die eine oder andere Weise. Wir sind nach 35 Jahren erneuter Bonzenwirtschaft in Deutschland eine etwas größere DDR geworden, nur mit besseren (und mehr!) Computern. Meine wesentliche Erkenntnis aus sechs Jahren Tätigkeit in der Volkswirtschaft der DDR lautet, dass der Staat sich aus der Wirtschaft unbedingt heraushalten sollte. Deshalb braucht es auch keine Energie- , Wirtschafts- oder Umweltministerien, ganz abgesehen von Ministerien für "Gedöns". 


Auch kann nur das verteilt werden, was erwirtschaftet wurde. Das weiß nicht nur eine schwäbische Hausfrau.  Da helfen keine Tricksereien, keine Parteitagsreden, keine "richtige Haltung", keine Milliardenkredite ( Franz Josef S. und Honecker sind übrigens tot), keine KI  oder auch keine sogenannten "Sondervermögen".  

 Die wichtigste Erkenntnis aber besteht darin, dass man das Volk, den großen Lümmel, nicht ewig verscheißern kann oder wie schon Abraham Lincoln sagte: Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, aber man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen...


   

 

Popularität

 John Lennon sagte 1966, dass die Beatles populärer als Jesus Christus wären. Diese flapsige Bemerkung brachte ihm damals heftige Anfeindungen und sogar Morddrohungen ein. 


Die AfD braucht Stand heute nur noch 3 Prozent, dann hat sie stimmenmässig die CDU/CSU eingeholt.

Wenn Alice Weidel jetzt nicht sagt, dass die AfD populärer als die Beatles ist,  ist sie in absehbarer Zeit Bundeskanzlerin...

Sonntag, 2. März 2025

Die höchste Stufe des Größenwahns

Die höchste Stufe des Größenwahns ist es zweifellos, wenn der Blogger anfängt, sich andauernd selbst zu zitieren. In meinem konkreten Fall liegt das allerdings an der ständigen Wiederholung bestimmter Ereignisse. D.h., Geschichte wiederholt sich in Endlosschleife, nur die Namen der Akteure wechseln ab und zu. Besser wird es in gar keinem Fall. 

So fand ich in diesem Blog zum Thema“ Idiot“ folgenden interessanten Blogpost: http://vallisblog.blogspot.com/2019/02/sozialismus-pur-1.html . Um ein weiteres Zitat zu verwenden: die Schweine wechseln, die Futterkrippen bleiben dieselben. Oder einfacher gesagt: man muss eigentlich nur die Namen der Akteure austauschen (siehe oben).

Weiter zum Thema: nicht wenige amerikanische Präsidenten und beleibe nicht alles Idioten oder Debile oder Verbrecher wie beide Bidens haben großen Einfluss auf die Weltgeschichte genommen. Genannt seien Roosevelt und Kennedy im positiven oder Lyndon B. Johnson und Richard Nixon im negativen Sinne. Weniger präsent in unserer Erinnerung  oder auch stets lächerlich gemacht ist z.B. Bill Clinton. Abgesehen davon, dass er uns lehrte, Zigarren an jungen Mädchen auszuprobieren und eine bedenkenswerte Definition von Geschlechtsverkehr in den politischen Sprachgebrauch einführte, ist vor allem eine seiner Redensarten es wert, stets und ständig in der Politik bedacht zu werden. Ich meine ganz konkret seinen zugegebenermaßen bei Karl Marx abgekupferten Lehrsatz: "It's the economy, stupid!" 

Mit diesem Wahlkampf-Slogan gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. Und das, obwohl der damalige Amtsinhaber George Bush ein Jahr davor - kurz nach der Invasion im Irak - noch Zustimmungswerte von 90 Prozent erhalten hatte. Der Slogan hat in der gegenwärtigen Zeit politischer und  ökonomischer Unsicherheiten und der Herausbildung von neuen Allianzen nichts von seiner Dringlichkeit eingebüßt. Es sind und bleiben die ökonomischen Rahmenbedingungen, die einen Großteil des politischen Handlungsspektrums abstecken. 

Betrachtet man nun die Geschichte des Ukraine- Kriegs unter diesem Gesichtspunkt so wird klar, dass etwa 75 % unserer westdeutschen Landsleute den Sinn dieser Parole nicht verstanden haben. So ist man immer noch im strikten Antikommunismus verfangen und die Russen sind im öffentlich-westdeutschen Bewusstsein alle immer noch Hardcore-Kommunisten, Putin ein Wiedergänger Stalins. Dazu kommt seit Generationen der unbändige Russenhass, auch Baerbocks und Habecks SS-Verwandte mussten schließlich vor diesen russischen Untermenschen fliehen. 

Nichts davon, dass USA, NATO und EU mittels willfähriger Kläffer in der Ukraine so lange an den russischen Gartenzaun pinkelten, bis Putin seinen Dobermann losließ. Die deutschen Mainstreammedien tuten genau in dieses Horn. Nichts davon, dass auch hier wieder die ECONOMY den Hauptgrund für den Krieg lieferte (siehe den von Trump angestrebten Deal mit der Ukraine, der im Moment gescheitert scheint). Wer weiß schon, dass inzwischen mehr als 20 Prozent des Schwarzerdebodens der Ukraine Finanzhaien wie Blackrock ( denen gehört auch der Merzel!) gehören? 

Vergessen wir nicht, dass dem “ doofen" Trump aufgefallen zu sein scheint, dass die USA zur Zeit etwa die Summe des 1,3 fache ihres Militäretats für die Tilgung ihrer Staatsschulden aufwenden müssen. Dass böse Menschen wie Musk jetzt dabei sind, die unter Biden verschwundenen Milliarden des Staatshaushaltes ausfindig zu machen, passt genau wie die Faust auf's Auge. Wie gesagt, der Trump ist ja doof, wohingegen unser frisch gewählter Bundeskanzler in spe superschlau ist und deshalb die Schuldenbremse aushebeln will. Mit dem Segen und für den Segen der Rüstungskonzerne. Wer Ironie findet, kann sie behalten.

Es geht immer nur um Economy. Als ich vor fast 13 Jahren die schöne Stadt Odessa am Schwarzen Meer besuchte, fiel mir auf, dass an fast jeder Ecke eine russische Bankfiliale zu finden war. Das konnte nicht lange gut gehen. Kurze Zeit später verstärkte sich dann der nationalistische ukrainische Terror gegen die russischen Landsleute nicht nur in den östlichen Bezirken der Ukraine. Man verbot  die russische Sprache als zweite Amtssprache, man fing an, mit Artillerie auf die Landsleute im Donbass zu schießen.  Dass der Imperialist Putin die ukrainische Kündigung des russischen Kriegshafens Sewastopol auf der Krim wie ein typischer Imperialist beantwortete, war abzusehen.


Vergessen wir nicht: Putin wurde dafür gewählt, die Interessen Russlands durchzusetzen. Das ist eine Amtsauffassung, die man sich gern mal von den Schreihälsen und Landesverrätern in Deutschland oder der EU wünschen würde. Man muss  den russischen Imperialisten nicht  gut finden, aber wenn man ihn verurteilt, sollte man ihn mit Schorchdabbelju Bush, Clinton, Obama und Biden zusammen auf die Anklagebank setzen.

Übrigens, kommen wir nochmal zu den Zitaten: Damals vor 13 Jahren habe ich unsere Reise nach Odessa in einer kleinen Podcast -Reihe unter dem Titel "Wo ist eigentlich Europa?" ausgewertet. Vieles davon ist überholt, aus der damaligen Sicht auch manchmal naiv, trotzdem in einigen Teilen interessant. Wer Lust hat, sich  meine damalige Sicht der Dinge noch einmal anzuhören, kann das unter diesem Link tun...